Tag #132043 - Interview #78297 (Hanny Hieger)

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Meine Mutter wollte einmal ein Stück koschere Kalbsleber. Und da hat der Herr Jelenko uns eingeredet, wir wussten ja wenig vom Judentum, es ist ein Gesetz, daß die Kalbsleber dem Schächter gehört. Und wir haben das natürlich geglaubt, und viel später sind wir dann draufgekommen, daß das sein eigenes Gesetz war, weil seine Frau gerne Kalbsleber gegessen hat. Vor dem Fasten am Yom Kippur wurde immer das gleiche Essen gegessen. Das war Tradition. Es war das einzige Mal im Jahr, daß mein Vater beim Essen einen Hut aufgesetzt hat. Es gab Nudelsuppe, Huhn mit Selleriesauce und Kartoffeln, danach Zwetschken- und Apfelkompott. Und zur Krönung des Ganzen gab es einen Mokka, und mein Vater hat die letzte Zigarette geraucht.. Dann haben die Feiertage begonnen. Beim Onkel Nathan gab es genau das gleiche Menü und beim Onkel Willi gab es auch genau das gleiche Menü. In Zurndorf haben wir zuerst Religionsunterricht bei dem Rabbiner Friedjung, einem alten Herrn, gehabt. Bei ihm habe ich Hebräisch lesen gelernt und er hat uns viele Geschichten erzählt. Dann lernten wir beim Rabbiner Jelenko, und wenn wir schwänzen konnten, haben wir geschwänzt.
Period
Location

Zurndorf
Österreich

Interview
Hanny Hieger