Tag #131093 - Interview #78291 (Kitty Suschny)

Selected text
In unserem Haus wohnten viele jüdische Familien. Unsere Nachbarin Frau Letfuß war Sozialdemokratin, ihre Schwester war mit einem jüdischen Kellner vom Café Neptun verheiratet. Das Café Neptun war ein jüdisches Kaffeehaus am Gaußplatz Nummer 7.

Frau Letfuß hatte die ganze Zeit Angst, dass man sie verhaften würde, weil sie Sozialdemokratin war. Ihr Mann war Anstreicher, der Sohn Josef wollte Rechtswissenschaften studieren, hatte aber kein Geld.

Nebenan wohnte eine Jüdin, die Frau Wiesner. Sie war Witwe und hatte zwei Söhne. Ich erinnere mich, dass in dieser Wohnung das Klo innerhalb der Wohnung war und auch das Wasser.

Sie hatten auch ein Badezimmer, da hat das Dienstmädel drin geschlafen. Das Badezimmer war wohnlich eingerichtet, aber es stand eben auch eine Badewanne drin. Wenn die Söhne gebadet haben, hat das Dienstmädchen raus gehen müssen.

Der Bruder von Frau Wiesner hatte ein Teppich- und Vorhanggeschäft, Weinberger hat die Familie geheißen. Frau Wiesner war dort Prokuristin. Neben Frau Wiesner wohnte die jüdische Familie Haas.

Das waren zwei unverheiratete, kleine schwarzhaarige Schwestern mit ihrem Bruder. Der Bruder war auch nicht sehr groß und der jüngste der Geschwister. Seine Schwestern haben ihn betreut, für ihn gekocht und geputzt.

Sie hatten eine Dreizimmerwohnung, jeder hatte sein eigenes Zimmer. Was mit denen passiert ist, weiß ich nicht. Im Eck haben zwei Parteien [Familien] gewohnt, die nicht jüdisch waren.

Im ersten Stock wohnten nur Juden. Da hat es eine Familie gegeben, die waren Pelzhändler. Nettel haben die, glaube ich, geheißen. Und im ersten Stock wohnte eine Familie Taussig.

Im zweiten Stock war die Ordination meines Vaters und links wohnte Frau Schmitz, die die älteste Partei war. Sie war Monarchistin und sehr anständig. Sie hatte eine Schwester in Steinhof [2]. Die war auf ihre Schwester losgegangen, sie hatten miteinander gewohnt.
Period
Location

Vienna
Austria

Interview
Kitty Suschny