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Als die Großeltern gestorben waren, kam der Flügel nach Wien zu uns, und meine Eltern haben den Fehler gemacht, mir Einzelunterricht geben zu lassen - ich bekam eine Klavierlehrerin. Wenn ich in einer Klasse gewesen wäre mit anderen Kindern, hätte ich mehr geübt und wäre fleißiger gewesen, weil ich doch so ehrgeizig war. Mit ungefähr zehn oder elf Jahren, habe ich begonnen, Klavier zu spielen. Da ich keine Konkurrenz hatte, war ich stinkfaul und habe zu wenig geübt. Begabt war ich anscheinend aber auch nicht. Aus meinem Klavierspiel ist nichts geworden, aber ich liebe Musik, und ich bin sehr viel in Konzerte gegangen. Ich wurde auch schon früh von meinen Eltern mitgenommen. Ich erinnere mich, vor jedem Konzert hat sich der Papi ans Klavier gesetzt und hat die Hauptthemen der Stücke, die am Programm standen, vorgespielt: Das war eine Art Einführung in das Stück. Und besonders erinnere ich mich an eine lustige Geschichte: Damals haben die Konzerte mit einem klassischen Stück begonnen, dann kam ein modernes Stück und nach der Pause wiederum ein klassisches. Das Moderne kam immer nach dem ersten Klassischen - vor der Pause - so dass man nicht rausgehen konnte. So hat man die Leute sozusagen gezwungen, sich das anzuhören. Und da war als Mittelstück etwas Modernes, und mein Vater hatte gesagt, es täte ihm leid, aber er habe den Klavierauszug nicht, er habe ihn auch in der Bibliothek nicht bekommen, so dass er ihn mir nicht vorher vorspielen könne. Ich wurde während dieses Stücks von meinen Eltern sehr genau beobachtet. Sie waren der Ansicht, dass sie mit klassischer Musik groß geworden waren und zu alt, sich an die moderne Musik zu gewöhnen. Meine Eltern wollten nun aber sehen, was ein junger Mensch, der auch mit der klassischen Tradition aufgewachsen war, zu einem modernen Stück sagt. Sie haben mir das danach erzählt. Das Stück hat mir nicht besonders gut gefallen. Kunst und Musik genieße ich heute genauso, wie in meiner Jugend. Aber mit der modernen Musik, der modernen Malerei und mit der modernen Poesie kann ich noch immer nichts anfangen. Und ich glaube nicht, dass das eine Sache des Alters ist.
Interview
Louise Eva Papo
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