Tag #120368 - Interview #83000 (Herbert Wolfgang Reisner)

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Ich kann mich aus meiner frühesten Kindheit nur daran erinnern, dass wir im Rathauspark spielen waren und dort in die erste Klasse Volksschule am Albertplatz gekommen. Die zweite Klasse habe ich in der Jagdschlossgasse im 13. Bezirk gemacht, und dann sind wir in die Maxingstrasse übersiedelt, vis a vis vom Hietzinger Friedhof, und dort bin ich dann in die 3. und 4. Volkschule am Hietzinger Platz gegangen. Danach habe ich die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium Fichnergasse gemacht, das war ein humanistisches Gymnasium. Ich wollte aber keinen humanistischen, ich wollte einen technischen Beruf erlernen. Doch leider hatten wir kein Realgymnasium in der Nähe. Daher bin ich die ersten zwei Jahre in das humanistische Gymnasium Fichnergasse gegangen.
Wir waren in der Klasse 13 jüdische Kinder. Das war ein Drittel der Klasse. Unser Klassenvorstand war Dr. Riedl. Wir nannten ihn immer den ‘Vergaser’, da er immer ‘Oh, ich vergaß,’ gesagt hat. Zu der Zeit war die Vaterländische Front sehr stark, die ist mit der heutigen ÖVP [Christlichsoziale Partei] vergleichbar. Der Direktor der Schule ist jeden Tag vor dem Schultor gestanden und hat kontrolliert, ob wir das Abzeichen der Vaterländischen Front tragen. Das war ein Dreieck mit weißen Streifen und einem Blatt drauf. Dieses Abzeichen mussten alle Kinder der Schule tragen, es war unser Schulabzeichen, denn das war ein Christlich-Soziales Gymnasium. Der Sohn von Franz Völker ging mit mir in die Klasse. Franz Völker war ein sehr berühmter Kammersänger in den 1930er-Jahren. Dadurch wurde Franz Völker vom Musiklehrer immer bevorzugt. Ich bin sehr ungern in die Schule gegangen. Ich habe viel gelesen, hab Musik gehört. Die Schule war für mich immer ein Zwangs - und Druckmittel. Ich bin auch damals ungern in die Schule gegangen, da man sehr zeitig dort sein musste. Ich steh auch heute nicht gern früh auf.
Interview
Herbert Wolfgang Reisner