Tag #119852 - Interview #78288 (Ludwig Grossmann)

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Im 'Young Austria' trafen sich junge Leute aus Österreich. Es gab dort viele Juden, aber auch nichtjüdische Emigranten, die über die Tschechoslowakei, Frankreich, Spanien und andere Länder geflüchtet waren.

Wir haben durchs Radio, von den Engländern oder von Leuten, die nach und nach ankamen erfahren, was in der Welt geschieht. Zu den jungen Leuten, die in den Club kamen, war man sehr freundlich: wann bist du gekommen? Woher bist du gekommen? Was sind deine Pläne? Kann man dir behilflich sein?'

Vom Young Austria wurden wir aufgefordert in England zu bleiben so lange es notwendig ist, danach aber wieder nach Österreich zurückzukehren. Aber es gab auch Leute, die darauf warteten, nach Amerika oder nach Palästina gehen zu können.

Es waren so viele allein stehende Jugendliche da, die Schwierigkeiten und Sorgen hatten: Unterkunft, Arbeit, kulturelle Dinge - es tat einem das Herz weh. Wir haben uns gegenseitig geholfen. Man konnte dort essen.

Leute, die keine Arbeit hatten und auf eine Arbeit warteten, konnten dort schlafen oder haben etwas vermittelt bekommen. Aber es war immer nur vorübergehend, es war ja kein Hotel.'Young Austria' war für uns so ein bisschen unser zu Hause.

Wir hatten eine Bibliothek, es gab Zeitungen, Veranstaltungen und Vorträge. Es gab auch eine Theatergruppe. Der österreichische Schauspieler Otto Tausig hat da gespielt. In den 'Schlimmen Buben in der Schule' [15] ist er mit Begeisterung aufgetreten.

Wir haben geglaubt, wenn der Krieg zu Ende ist, werden in Österreich Lehrer gebraucht werden, Künstler, Wissenschafter und Erzieher, denn wie wollen sie die Lehrer, die für Hitler eingetreten sind, dazu kriegen, Kinder zur Demokratie zu erziehen?

Wir haben geglaubt, alle warten auf uns. Es war aber nicht alles so, wie wir geglaubt haben. Aber wir hatten auch Heimweh, obwohl es keine Verwandten mehr gab.
Location

United Kingdom

Interview
Ludwig Grossmann