Tag #119783 - Interview #78282 (Otto Suschny)

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Ich war nie in der Kommunistischen Partei. Ich war beim 'Verein Demokratischer Studenten'. Das war eine kommunistische Tarnorganisation, die Leiter waren alles Kommunisten. Dort war ich eine Zeit lang Mitglied, aber zur kommunistischen Jugend bin ich schon nicht mehr gegangen. Eines Tages traf ich einen Freund. Wir waren schon als Kinder befreundet, und unsere Mütter waren auch befreundet. Er hat bei der jüdisch - historischen Dokumentation gearbeitet. Offiziell ging es um Dokumentation, inoffiziell wurden Kriegsverbrecher gejagt. Ich wurde aufgenommen. Wir nahmen Zeugenaussagen von Leuten auf, die in Polen im Ghetto oder in Lagern waren, und die über Personen, die Juden umgebracht hatten, oder geholfen haben, Juden umzubringen, berichten konnten. Diese Arbeit war überaus wichtig und ich habe sie sehr gern gemacht. Aufgrund dieser Aussagen wurden unter anderem Dutzende österreichische Polizisten festgenommen. Es war noch die Zeit der Besatzungsmächte, da verlangten die Russen die Auslieferung der Kriegsverbrecher, die sie dann nach Russland brachten. Leider sind einige von denen zurückgekommen, aber sie haben zumindest einiges mitgemacht in den russischen Lagern.

Tadek Frydman war der Chef dieser Organisation. Insgesamt haben wir bestimmt 50 bis 100 Leute hinter Gitter gebracht. Leider nicht auf Dauer, aber doch für einige Zeit.

Damals war der Kommunist Heinrich Dürmayer Chef der Staatspolizei. Dann wurde der Sozialdemokrat Peterlunger Chef und nichts funktionierte mehr. Wir konnten unserer Arbeit nicht mehr vernünftig nachgehen. Wir haben dann so eine Art Dokumentation über die Juden in Österreich erarbeitet. Das hat mich weniger interessiert, wir waren ja keine Historiker. Da kam ich mir sehr dilettantisch vor.
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Interview
Otto Suschny