Tag #119605 - Interview #78281 (Max Tauber)

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Pfingsten 1953 habe ich meine Frau Lilly, geb. Schischa, in Wien kennen gelernt. Meine Mutter hatte sich mit einem Kreis älterer jüdischer Damen, die zum Teil miteinander in der Emigration waren, immer im Kaffee Mozart getroffen, und sie haben festgestellt, dass es eine Affenschande ist, dass ein Bursch mit 33 Jahren noch immer ledig herumläuft. Die Tante meiner Frau war auch bei dieser Runde und hat gesagt, das sei kein Problem, ihre Nichte ist 26 Jahre alt, gut aussehend, lebe in Hirschwang und sei auch noch ledig. Die könnten sie eigentlich miteinander bekannt machen. Ich war zu dieser Zeit in England und habe meine Schwestern besucht. Als ich nichts ahnend zurück kam, meine Eltern hatten zu dieser Zeit noch keine Wohnung, sie lebten noch im Obdachlosenquartier in Sievering [Teil des 19. Bezirks], die Werkstatt hatten sie aber schon, sagte meine Mutter zu mir, dass ich zum nächsten Treffen der älteren Damen mitkommen solle, denn einige waren in England und ich könne erzählen, wie meine Reise war. Als ich kam, sagte eine der Damen: Grüß Sie Herr Tauber, ich hab gehört, Sie waren in England, darf ich Ihnen meine Nichte vorstellen, die in England den Krieg überlebt hat? Das war die Lilli! Lilli war vollkommen verschüchtert, das ist sonst nicht ihre Art. Ich habe sie zuerst auf Englisch angesprochen, wir haben uns unterhalten und am nächsten Tag sind wir dann im Kursalon allein auf eine Jause gegangen. Am nächsten Wochenende gab es in der Volksoper 'Die lustige Witwe'. Ich habe die Karten besorgt und wir waren in der Volksoper. Eine Woche darauf bin ich zu ihr nach Hirschwang gefahren. Sie hat bei ihrer Tante gewohnt, der jüngsten Schwester ihrer Mutter, die den Krieg überlebt hatte, weil sie mit einem Nichtjuden verheiratet war. Ich bin sehr freundlich aufgenommen worden, und im Juli oder August meinte Lilli aus uns werde nichts oder wann ich gedenke sie zu heiraten. Also, wir haben uns dann offiziell verlobt, und dann wollte Lilli wieder wissen wie es weitergehen soll. Da habe ich ihr gesagt, dass wir noch dieses Jahr heiraten werden. Am 30. Dezember 1953 haben wir dann geheiratet zur großen Freude meiner Familie. Lilli hatte nur noch wenige Verwandte und einen Bruder in Israel, aber kurz bevor sie ihren Bruder wieder sehen konnte, ist er an einem Herzinfarkt gestorben. Ihre Eltern und fast alle Tanten und Onkel, sie hatte vor dem Krieg eine große Familie, waren im Holocaust ermordet worden.
Period
Location

Austria

Interview
Max Tauber
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