Tag #119602 - Interview #78281 (Max Tauber)

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Bis 1946 die ersten Wahlen in Österreich stattgefunden haben und eine österreichische Regierung gebildet wurde, hat es keinen Postverkehr mit Österreich gegeben. Zu diesem Zeitpunkt gehörte ich zu einer Gruppe Österreicher, die regelmäßig zusammen gekommen ist, und die gesagt haben: Leute, jetzt wird es Zeit, dass wir an eine Rückkehr denken!' Am 11. Jänner 1946 ist der Postverkehr eröffnet worden. Da haben wir uns zusammengesetzt und haben einen Brief an den Innenminister Helmer [27]mit unseren Unterschriften verfasst: Der Text lautete ungefähr folgendermaßen: Wir sind österreichische Staatsbürger, die meisten waren bis 1934 Mitglieder der sozialdemokratischen Partei Österreichs und wir möchten, dass man uns hilft, nach Österreich zurück zu kehren. Den Brief haben wir rekommandiert [veraltet: einschreiben [Postsendung] und express aufgegeben. Monate hat sich nichts gerührt. Dann haben wir noch einen Brief verfasst und haben den auch nach Wien geschickt. Nach einigen Wochen ist ein Brief vom Innenministerium gekommen, da ist sinngemäß drinnen gestanden: Liebe Landsleute, es freut uns, dass ihr Kontakt mit uns aufnehmt, aber die Lage ist sehr trist' usw., und wenn man den Brief weiter gelesen hat, hat man herausgefunden, es stand zwischen den Zeilen, aber sehr eindeutig: Bleibt wo ihr seid! Das war die Reaktion vom Innenministerium. Das Innenministerium hat uns also nicht in Österreich gewollt.

Im November 1947 beschlossen die Vereinten Nationen, dass Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat geteilt wird. Von dem Moment an war Jerusalem eine Festung. Man konnte nicht hinaus und nicht hinein, weil rundherum arabische Siedlungen waren. Österreich hatte noch keine diplomatische Vertretung, das spanische Konsulat hatte die Vertretung für Österreich übernommen. Da hat sich in der UNO eine Organisation gebildet, um allen Emigranten die Rückkehr aus den Konzentrationslagern und aus dem Exil, wohin die Menschen vor dem Holocaust geflohen waren, zu ermöglichen. Sie haben veranlasst, dass Transporte zusammengestellt wurden. Man musste sich auf dem spanischen Konsulat melden, und sie haben die Listen an die UNO weitergeleitet. Die UNO hat dann den Transport zusammengestellt. Die österreichische Regierung hat sich darum nicht gekümmert, das ist rein von der UNO ausgegangen. Im Frühjahr 1947 ist der erste Transport nach Österreich gegangen. Der zweite Transport ging ein paar Monate später. Ich bin mit dem letzten Transport gefahren. Als ich mich für den Transport angemeldet habe, habe ich meinem Vater nichts davon gesagt. Nur mit meiner Mutter habe ich das besprochen. Zwei Transporte waren weg, ich wusste nicht, ob sich noch eine Gelegenheit ergeben würde, und ich wollte nicht mehr in Palästina bleiben, ich wollte zurück nach Österreich.

Jerusalem war ab Februar 1948 total eingeschlossen. Von britischen Truppen ist ein Panzerzug auf die Bahnlinie gestellt worden, denn die Briten haben das Land verlassen. Sie haben uns nach Haifa mitgenommen. In Haifa sind wir auf ein Schiff gekommen, das gechartert war - ein Frachtschiff mit Personenverkehr. Die Reisekosten waren durch die UNO gedeckt. Zuerst ist das Schiff nach Zypern gefahren. Dort wurde ein bisschen Fracht ausgetauscht, dann sind wir in den Hafen von Piräus [Griechenland] eingelaufen. Da waren wir drei Tage, konnten aber nicht vom Schiff hinunter, weil gerade Bürgerkrieg in Griechenland tobte. Nach drei Tagen fuhren wir weiter, und auf der Höhe von Kreta ist ein furchtbarer Sturm losgebrochen. Wir konnten nicht durch die Strasse von Messina, weil wir auch in Neapel hätten anlegen sollen. Wir sind aber um Sizilien herum gefahren und kamen dann nach Genua. Von Genua sind wir sind mit der Bahn nach Wien weitergefahren. In Wien habe ich mich bei dem älteren Bruder meiner Mutter einquartiert.

Mein Vater hat sich dann schweren Herzens, vor allem wegen seiner Enkelkinder in Jerusalem, entschlossen, auch nach Wien zu kommen. Das war aber erst 1949. Im Endeffekt waren meine Eltern aber glücklich, wieder in Wien zu sein, denn meine Mutter hatte ihre Geschwister hier.
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Interview
Max Tauber