Tag #119588 - Interview #78281 (Max Tauber)

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Mittlerweile, das war 1936, hatte mein Vater genug von der Fabrik, und er hat sich mit meiner Mutter selbständig gemacht - nicht mit der Oberteilherrichterei, sondern mit feinen Lederhausschuhen. Der Mann der Familie uns gegenüber, sie hießen Ur, war Beamter bei Keren Kajemet [25]. Seine Frau war zehn Jahre vor uns aus Polen nach Palästina gekommen. Sie hatten einen Sohn, Amira, der war dreizehn Monaten alt. Die Frau sprach gut Deutsch, der Mann Jiddisch, dadurch entstand ein Kontakt. Als mein Vater aus der Fabrik wegging, hatte er kein Geld. Sein einziges Kapital waren die Nähmaschine, die meine Mutter aus Wien mitgebracht hatte und die Schuhleisten. Mein Vater hatte meiner Mutter nach Wien geschrieben, dass sie die Schuhleisten unbedingt mitbringen sollte. In unserer Strasse war ein kleines Lokal zu vermieten, und das hat mein Vater gemietet, denn Herr Ur hat meinem Vater einen Kredit über 25 Pfund verschafft und die Bürgschaft übernommen. 25 Pfund waren ein Vermögen. Mit meiner Mutter zusammen hat mein Vater eine Schuhwerkstätte für orthopädische Schuhe eröffnet. Aber was sie verdient haben war nicht genug, und da fiel ihnen ein, dass sie Hausschuhe aus Leder, auch in Wien hatten sie Hausschuhe aus Leder produziert, in Palästina auf den Markt bringen könnten. Mein Vater fand drei Geschäfte, die ihm seine Hausschuhe abgenommen haben. Damit konnten wir aber auch nicht existieren. Noch während des Krieges wurden Waren in Palästina eingeführt, die unter staatlicher Kontrolle produziert wurden und preisgebunden waren. Mein Vater hat eine Lizenz bekommen und hat sich aus dem Hauptlager aus Tel Aviv das Material für die Schuhe, das wesentlich billiger war, holen können. Da ist man mit dem Auftrag der Geschäfte in das Lager gefahren, aber man hat mehr Leder bekommen, als man für die Aufträge gebraucht hat, so dass man auch noch Schuhe zum freien Preis verkaufen konnte.
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Interview
Max Tauber