Tag #119586 - Interview #78281 (Max Tauber)

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Zuerst hat mein Vater mir eine Lehrstelle in einer Maschinenschlosserei verschafft. Ich habe dort eigentlich als Hilfsarbeiter begonnen, weil ein Lehrding dort nicht vorgesehen war. Dann habe ich in einer Bauschlosserei gearbeitet, dort sollte ich als Mechaniker und Schlosser ausgebildet werden, aber Bezahlung habe ich keine bekommen. Dann bin ich in einen Betrieb gekommen, da waren aus allen Ländern des Orients Leute, die entweder persisch oder arabisch oder hebräisch gesprochen haben. Der Inhaber der Firma und sein Schwager waren aus Lemberg [heute Ukraine], und die haben Jiddisch und Deutsch gesprochen. Das war eine harte Schule! Ich hab mich nur mit den Chefs unterhalten können und für den Rest der Belegschaft war ich der 'Kasperl der Nation'. Was die mit mir aufgeführt haben! Ich habe ja fast nichts verstanden. Einmal haben sie mich in ein Geschäft geschickt Joghurt kaufen und mir gesagt, was ich zu dem Besitzer des Geschäfts, der aus Marokko kam, sagen soll. Das was ich gesagt habe, war aber nicht, dass ich Joghurt kaufen möchte, sondern ein ganz ordinärer Fluch. So etwas haben sie ständig mit mir gemacht. Man glaubt gar nicht, wie schnell ein Mensch eine Sprache lernen kann, wenn man auf diese Art und Weise gezwungen wird.

Der Chef hat gesehen, ich bin ein wiefer Bursch, da hat er mich zur Bohrmaschine gestellt. Aber auf diese Arbeit haben schon fünf andere gewartet, denn dafür hat man mehr Geld bekommen. Mir haben sie aber kein besseres Gehalt dafür gegeben. So habe ich an der Bohrmaschine gearbeitet, und mein Chef hatte eine billige Arbeitskraft, auf die er sich verlassen konnte. Da war ich sehr verbittert! Freitags war immer früher Arbeitsschluss, und an einem Freitag kam ich von der Arbeit nach Hause, da stand vor unserem Haus ein offener Wagen mit einem Pferd davor. Es wurden Möbel heraus getragen und der Freund von meinem Vater, der Kollege, der Löwy, war ganz aufgelöst. Der Herr Löwy war der Hauptmieter, und mein Vater hatte ihm immer das Geld für die Miete gegeben, aber der hatte die Miete nicht bezahlt, und wir sind aus der Wohnung geschmissen worden. Nun sind wir ohne Wohnung dagestanden. Möbel haben wir sowieso praktisch keine, das war kein Problem. In der Bauschlosserei hatte ich einen Burschen in meinem Alter kennen gelernt, einen Sabre [in Israel Geborene], aus einer streng orthodoxen Familie, Serotkin hießen sie. Die Familie hatte acht oder neun Kinder, und sie wohnten in einem großen Haus. Unten im Haus war eine Mineralwasserabfüllung, an der Vater Serotkin beteiligt war. Er hat mir die Waschküche als Unterkunft zur Verfügung gestellt, dafür sollte ich seinem Sohn die Grundrechenarten beibringen. Aber der hat das nicht verstanden. Mein Vater hat in einer Schneiderwerkstatt geschlafen, meine Mutter mit meinen Schwestern bei einem Arbeitskollegen.
Interview
Max Tauber