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Ungefähr 1923 oder 1924 vermittelte Malwine, die älteste Schwester meines Vaters, die Heirat von Onkel Max mit einer jungen hübschen Frau aus einer wohlhabenden jüdischen Familie in Trencin. Das war gerade zur Inflationszeit und die Tschechenkrone war eine hochwertige Valuta und Charlotte, so hieß die Braut, hat die Mitgift in Tschechenkronen bekommen. Mein Onkel und mein Vater haben mit dem Geld in der Kriechbaumgasse, in Meidling, ein Schuhgeschäft eröffnet, das in kurzer Zeit krachen gegangen ist, denn sie waren beide keine Geschäftsleute. Charlotte hatte eine Schwester in Trencin und alle zwei, drei Monate ist sie nach Hause gefahren, hat dort von den Zigeunerinnen Handarbeiten gekauft und die Sachen dann in Wien verkauft. Max hat jede Arbeit angenommen, er ist wieder zu seinem altern Chef, dem Herrn Deutsch, in die Fabrik gegangen. Dort hat er gearbeitet, und wenn nötig, auch zwölf Stunden hintereinander und hat sich auch noch Arbeit mit nach Haus genommen. Mein Onkel war nie arbeitslos. Für meine Tante waren wir der Pöbel, weil mein Vater nicht geschäftstüchtig war, und wir oft kein Geld hatten. Sie hat uns immer von oben herab behandelt. Für sie waren wir Gassenkinder. Ihr einziger Sohn Walter war natürlich etwas Besseres.
Period
Location
Wien
Austria
Interview
Max Tauber