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1914 begann der 1. Weltkrieg. Gleich zu Beginn des Krieges, meine Mutter war gerade 17 Jahre alt, schickte ihre Mutter sie aus Angst vor den russischen Soldaten, die die Grenze zu Galizien überschritten hatten, nach Wien in die Reichshauptstadt. Gemeinsam mit einer Familie aus Tarnopol flüchtete meine Mutter über Budapest nach Wien. Verwandte, die in Wien lebten, nahmen sie auf. Sie arbeitete zuerst in einer Schneiderei, in der Uniformen und Handschuhe für die k. u. k. Armee [8] genäht wurden. Dann arbeitete sie für die Familie des Chuschtschatener Rebben, der, als der 1. Weltkrieg begann, auch nach Wien geflohen war. Sie musste erleben, dass dieser Rabbiner, der ein großes Vorbild für ihren Vater war, der sein letztes Geld diesem Rabbiner gebracht hatte, seine Anhänger schlecht behandelte. Die Angestellten wurden sehr schlecht bezahlt, und er war so schrecklich geizig, dass er nicht einmal den ganz Armen etwas gab. Das erschütterte den Glauben meiner Mutter sehr. Ab dieser Zeit lebte sie nur noch wie eine traditionelle Jüdin.
Period
Location
Wien
Austria
Interview
Oskar Rosenstrauch