Selected text
Nach der Volksschule, im Jahre 1935, machten wir am Schuhmeier-Platz, im 16. Bezirk, die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium. Damals musste man eine Aufnahmeprüfung machen. Ich bestand die Prüfung mit 'sehr gut' und mein Bruder bestand die Prüfung nicht.
Aber auch ich wurde wegen angeblichen Platzmangels abgewiesen. Das waren Dollfuß-Zeiten [11] und die waren ganz deutlich antisemitisch. Daraufhin sagte mein Vater zu mir: 'Na dann gehst du halt ins Chajes-Gymnasium'. Das war das jüdische Realgymnasium im 20. Bezirk, in der Staudingergasse.
Ich heulte Rotz und Wasser, denn ich wollte nicht zu den Orthodoxen. Ich hatte mir vorgestellt, dass dort lauter Religiöse mit Pejes [12] herumlaufen. Daraufhin sagte mein Vater: 'Gut, dann gehst du in die Hauptschule.' Das wollte ich aber auch nicht, denn ich wollte ja studieren.
Für meinen Vater als Angestellten der Kultusgemeinde war es kein Problem, mich in das Chajes-Gymnasium einschreiben zu lassen. Ich glaube, ich war die 39. Schülerin in meiner Klasse. In dieser Schule war ich dann drei Jahre lang sehr glücklich.
Im Chajes-Gymnasium lernten Buben und Mädchen in gemeinsamen Klassen. Wir waren eine sehr gute Klassengemeinschaft, hatten zwei Klassensprecher, einen Burschen und ein Mädchen als Assistent. Zwei Jahre wurde ich zur Klassensprecherassistentin gewählt.
Der Direktor, Viktor Kellner, war autoritär und infolgedessen auch nicht sehr beliebt. Aber die Lehrer waren wunderbar, zum Teil wirklich fortschrittlich aufgeschlossen und sozial denkend. Jüdische Lehrer, die den Antisemitismus in den Mittelschulen erleben mussten, haben sich gefreut, wenn sie im Chajes-Gymnasium unterrichten durften, das heißt, die Schule konnte sich ihre Lehrer wirklich aussuchen. Unsere Lehrer waren hervorragende Fachleute und überhaupt nicht alle orthodox, wie ich mir das vorgestellt hatte.
Es gab orthodoxe Schüler, es gab die Religionslehrer - die orthodox waren. Im Großen und Ganzen war das aber eine normale Schule, außer, dass wir am Samstag frei hatten und am Sonntag in die Schule gehen mussten. Das war mir natürlich unangenehm.
Ich bin jeden Tag den weiten Weg vom 13. in den 20. Bezirk gefahren: mit den Straßenbahnen 62 und 60, mit der Stadtbahn Wiental- Linie und der Straßenbahn Nummer 5. Jeden Tag hatten wir eine Stunde Hebräisch. Auf Grund der zusätzlichen Hebräischstunde hatten wir immer bis 14 Uhr Unterricht und zweimal wöchentlich auch nachmittags.
An diesen Tagen habe ich Kostgeld von meinen Eltern bekommen. Dafür habe ich mir aber nur eine trockene Semmel gekauft und den Rest für Eis und Bücher verwendet. Wenn ich nachmittags Unterricht hatte, hatte ich eine Pause und in der Zeit bin ich herum gestrolcht, denn der Weg nach Hause wäre zu weit gewesen. Ich war die einzige in der Klasse, die so weit entfernt wohnte.
Aber auch ich wurde wegen angeblichen Platzmangels abgewiesen. Das waren Dollfuß-Zeiten [11] und die waren ganz deutlich antisemitisch. Daraufhin sagte mein Vater zu mir: 'Na dann gehst du halt ins Chajes-Gymnasium'. Das war das jüdische Realgymnasium im 20. Bezirk, in der Staudingergasse.
Ich heulte Rotz und Wasser, denn ich wollte nicht zu den Orthodoxen. Ich hatte mir vorgestellt, dass dort lauter Religiöse mit Pejes [12] herumlaufen. Daraufhin sagte mein Vater: 'Gut, dann gehst du in die Hauptschule.' Das wollte ich aber auch nicht, denn ich wollte ja studieren.
Für meinen Vater als Angestellten der Kultusgemeinde war es kein Problem, mich in das Chajes-Gymnasium einschreiben zu lassen. Ich glaube, ich war die 39. Schülerin in meiner Klasse. In dieser Schule war ich dann drei Jahre lang sehr glücklich.
Im Chajes-Gymnasium lernten Buben und Mädchen in gemeinsamen Klassen. Wir waren eine sehr gute Klassengemeinschaft, hatten zwei Klassensprecher, einen Burschen und ein Mädchen als Assistent. Zwei Jahre wurde ich zur Klassensprecherassistentin gewählt.
Der Direktor, Viktor Kellner, war autoritär und infolgedessen auch nicht sehr beliebt. Aber die Lehrer waren wunderbar, zum Teil wirklich fortschrittlich aufgeschlossen und sozial denkend. Jüdische Lehrer, die den Antisemitismus in den Mittelschulen erleben mussten, haben sich gefreut, wenn sie im Chajes-Gymnasium unterrichten durften, das heißt, die Schule konnte sich ihre Lehrer wirklich aussuchen. Unsere Lehrer waren hervorragende Fachleute und überhaupt nicht alle orthodox, wie ich mir das vorgestellt hatte.
Es gab orthodoxe Schüler, es gab die Religionslehrer - die orthodox waren. Im Großen und Ganzen war das aber eine normale Schule, außer, dass wir am Samstag frei hatten und am Sonntag in die Schule gehen mussten. Das war mir natürlich unangenehm.
Ich bin jeden Tag den weiten Weg vom 13. in den 20. Bezirk gefahren: mit den Straßenbahnen 62 und 60, mit der Stadtbahn Wiental- Linie und der Straßenbahn Nummer 5. Jeden Tag hatten wir eine Stunde Hebräisch. Auf Grund der zusätzlichen Hebräischstunde hatten wir immer bis 14 Uhr Unterricht und zweimal wöchentlich auch nachmittags.
An diesen Tagen habe ich Kostgeld von meinen Eltern bekommen. Dafür habe ich mir aber nur eine trockene Semmel gekauft und den Rest für Eis und Bücher verwendet. Wenn ich nachmittags Unterricht hatte, hatte ich eine Pause und in der Zeit bin ich herum gestrolcht, denn der Weg nach Hause wäre zu weit gewesen. Ich war die einzige in der Klasse, die so weit entfernt wohnte.
Interview
Hannah Fischer