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Meine Mutter hatte nur wenige Freundinnen, weil sie introvertiert und entwurzelt war. Aber wir hatten immer Gesellschaften zu Hause. Die Gäste waren meist russische Juden, weil meine Mutter sich mit rumänischen Juden nicht anfreunden konnte. Ich habe, obwohl ich viel sozialer als meine Mutter bin, das auch empfunden, als ich nach Wien gekommen bin, weil ich niemanden gekannt habe. Es war hier auch so: die Polen, die Ungarn, die Juden - jeder lebte in einem kleinen Ghetto. Das ist eben so, jede Gruppe hat seinen eigenen Charakter. Die Bekannten meines Vaters waren Akademiker, hauptsächlich Anwälte und Ärzte. Zum Beispiel war ein sehr guter Freund meines Vaters Kinderarzt. Ich kann mich erinnern, dass ich auf diesen Gesellschaften Geschichten und Gedichte vorgetragen habe, zum Beispiel von Schalom Aleijchem [3] und Bialik [4]. Mein jüngerer Bruder war auch so introvertiert wie meine Mutter. Mein älterer Bruder und ich sind uns sehr ähnlich. Wir haben den Charakter vom Vater - wir sind sehr lebenslustig.
Period
Interview
Rachelle Muzicant