Tag #118738 - Interview #78501 (Paul Rona)

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Nach dem Krieg meldete ich mich zur Rückkehr nach Österreich und wurde als Displaced Person [23] mit einem Transport nach Wien zurückgebracht. Vorher waren wir noch einen oder zwei Monate, bis wir ein Schiff hatten, bei Suez in irgendeinem Lager.

Im April 1947 kam ich in Wien an. Ich wurde 1988 mehrmals interviewt: ‚Warum sind Sie nach Wien zurückgekommen?’ Da sagte ich aus vollster Überzeugung und war mir dessen auch bewusst, dass ich das sozialistische Österreich aufbauen wollte. Aber das ist wirklich eine schwierige Frage. Über den Tod meiner Mutter wusste ich nichts Genaues, da forschte ich nach. Aber 1947 war schon für mich klar, dass meine Mutter tot ist, dass ich hier ohne Verwandte bin. Meine Rückkehr war für mich eine politische Sache. Wie weit es aber eine Rolle spielte, dass ich wirklich eine Niete in Sprachen lernen bin, und dass es mir in Israel nicht sehr gut ging, wäre für mich interessant.

Meinen Verwandten hatte ich geschrieben, dass ich nach Wien zurück fahre. Vor allem die Käthe, mit der ich am Besten war, schrieb: ‚Sei nicht dumm, ich habe ein Geschäft, da kannst du mitarbeiten, komm nach Australien!’. Australien hat mich aber nicht sehr gereizt, denn ich wollte nicht wieder der Arme unter den Verwandten sein. Vielleicht wenn es Amerika gewesen wäre, ich weiß nicht, was ich gesagt hätte. Noch weniger weiß ich, was ich getan hätte, wenn mich wer eingeladen hätte nach Paris, oder so! Erst jetzt, im Nachhinein, weil ich mehrmals gefragt wurde und ich immer stereotyp sagte: ‚Um ein sozialistisches Österreich aufzubauen’, denke ich darüber nach.

Als ich zurückkam, stand ich auf dem Standpunkt, die Kommunistische Partei soll sich kümmern darum, was mit mir geschieht, und sie kümmerte sich. Zuerst kam ich in einem Hotel unter. Es war der Abend des 26. April 1947. Es war schon finster, und wir Rückkehrer wussten nicht, wohin. Ich hatte vergessen, meine Uhr aufzuziehen, schaute aus dem Zimmer und sah, dass ein Ehepaar, wie ich glaubte, sich verabschiedete. Der Mann ging weg, und ich fragte, in meinem besten damaligen Wienerisch, ob mir die Dame sagen könne, wie spät es sei, worauf sie sagte: ‚Des net, aber wüst net mitkommen, Klaner?’ Wir waren in einem Stundenhotel gelandet! Das waren die ersten, original Wiener Worte, die ich hörte.

Es gab eine Familie, die ich kannte. Sie war Jüdin, er war kein Jude und hieß Braun. Sie hatten erfahren, dass ich zurückkomme, mich am Bahnhof empfangen und gesagt, dass ich am nächsten Tag zu ihnen kommen soll. Sie besorgte mir dann im 20. Bezirk ein Untermietzimmer.
Period
Interview
Paul Rona