Selected text
1933 war ich das erste Jahr auf der Handelsschule. Eines Tages mussten wir alle in die Aula gehen und uns aus dem Radio die Rede vom Hindenburg anhören, wie er den Hitler einführte. Da hat mich mein Klassenvorstand gerufen und gesagt: 'Herbert, tut mir leid, du musst auch mitkommen. Wenn alle aufstehen und die Hand zum Hitlergruß heben, bleibst du ruhig stehen, hebst nicht die Hand, denn das würde man als Provokation auffassen. Dann weiß ich nicht, was passiert.' Als ich wieder in die Klasse kam, lag ein kleines Kärtchen auf meinem Pult. Auf der Karte stand: 'EINE FREIFAHRT NACH JERUSALEM UND NIE WIEDER ZURÜCK!' Die Tochter von einem Speditionsunternehmen nahm mir das Kärtchen aus der Hand und legte es dem Klassenlehrer aufs Pult. Er hat es zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Vor dem zweiten Jahr haben meine Eltern einen Brief bekommen, in dem stand: Es tut uns sehr leid, aber wir können keine jüdischen Kinder in unserer Gesellschaft dulden.
Interview
Herbert Lewin
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