Selected text
Als mein Mann krank war, ging er für einige Zeit ins jüdische Altersheim.
Dort war die medizinische Betreuung gut. Aber er wollte dann doch wieder
nach Hause und danach habe ich ihn jahrelang in verschiedenen Spitälern
besucht; ich habe alle gekannt.
Einmal waren wir Samstag in der Früh zum Katheterwechsel in einem Spital.
Da sagte der Arzt: 'Der Herr Kritzer hat nichts zu tun; da denkt er sich,
na, da gehe ich ins Spital. Aber er vergisst, dass wir hier sehr viel zu
tun haben. Mein Vater war auch krank, war 75 Jahre alt und hatte
Disziplin!'
Ich dachte, ich drehe durch und sagte zu ihm: 'Wissen Sie eigentlich, was
die Pflichten eines Arztes sind?'
Und er fragte mich: 'Warum haben sie einen Juden geheiratet?'
Darauf sagte ich: 'Sie werden lachen, ich bin auch Jüdin!'
So war das Gespräch und mein Mann saß mit großen Schmerzen zitternd dabei.
Nachdem der Arzt endlich den Katheter gewechselt hatte, hab ich ihn gepackt
und ihm gesagt:
'Sie sind ein richtiges Nazischwein.' Dann habe ich ihn noch angespuckt.
Mein Mann bekam Angst um mich. Seit fünfundzwanzig Jahren kann ich nicht
mehr weinen, aber ich bekam damals oft Schüttelfrost. Wenn man nicht mehr
weinen kann, ist das schlimm, weil das in der Brust sitzt und weh tut.
Ich beschwerte mich dann beim Chef des Krankenhauses, aber er sagte:
'Wissen sie, die Ärzte sind so überlastet.'
'Aber in diesem Fall, Herr Professor, war das nicht so, tun Sie etwas!'
forderte ich.
Ich schrieb dann dem Gesundheitsminister, und er antwortete: 'Ihr Mann
hätte schon längst operiert werden müssen, aber die Ärzte sind sehr
überlastet.'
Aber nicht alle Ärzte waren so, manche waren auch sehr nett, ich lernte
auch gute Christen kennen.
Ich hatte eine Freundin in Salzburg, sie ist seit einigen Jahren tot. Ich
habe sie auf einer Kur in Italien kennen gelernt. Ich habe geglaubt, eine
Kur könne mir helfen, doch noch ein Kind zu bekommen, denn ein Kind wollte
ich gern haben. Sie erzählte mir, sie wäre in der HJ [Hitler Jugend]
gewesen, aber ihr Vater sei umgebracht worden, weil er etwas gegen die
Nazis gesagt hatte. Als ich sie in Salzburg einmal besuchte, gingen wir zu
ihrem Sohn und tranken mit der Nachbarin Kaffee. Der Nachbarin gefiel meine
Halskette und sie zeigte mir daraufhin ihren Schmuck. Sie hatte eine
herrliche Smaragdgarnitur, fantastisch und ich dachte sofort: Vielleicht
ist dieser Schmuck von einer jüdischen Familie. In einer Kassette hatte sie
auch Silberzeug und darunter lag ein Hakenkreuz aus Rubinen und ich sagte:
'Warum haben sie das aufgehoben?'
Meine Freundin machte ihr ein Zeichen, aber sie verstand es nicht und
sagte:
'Na ja, man weiß nicht, wann man das wieder brauchen kann.'
Meine Freundin war mir gegenüber einmalig. Wenn mein Mann krank war, fuhr
sie von Salzburg nach Wien und am selben Tag wieder zurück, nur um ihn im
Krankenhaus zu besuchen. Sie war auch die Erste, die am Friedhof war, als
mein Mann gestorben ist. Ich hatte sie sehr gern und sie sagte immer:
'Schau, mein Vater ist auch umgebracht worden, weil er in einem Wirtshaus
was gegen die Nazis gesagt hat.'
Wenn man zu hart ist, kann man in Österreich nicht leben.
Dort war die medizinische Betreuung gut. Aber er wollte dann doch wieder
nach Hause und danach habe ich ihn jahrelang in verschiedenen Spitälern
besucht; ich habe alle gekannt.
Einmal waren wir Samstag in der Früh zum Katheterwechsel in einem Spital.
Da sagte der Arzt: 'Der Herr Kritzer hat nichts zu tun; da denkt er sich,
na, da gehe ich ins Spital. Aber er vergisst, dass wir hier sehr viel zu
tun haben. Mein Vater war auch krank, war 75 Jahre alt und hatte
Disziplin!'
Ich dachte, ich drehe durch und sagte zu ihm: 'Wissen Sie eigentlich, was
die Pflichten eines Arztes sind?'
Und er fragte mich: 'Warum haben sie einen Juden geheiratet?'
Darauf sagte ich: 'Sie werden lachen, ich bin auch Jüdin!'
So war das Gespräch und mein Mann saß mit großen Schmerzen zitternd dabei.
Nachdem der Arzt endlich den Katheter gewechselt hatte, hab ich ihn gepackt
und ihm gesagt:
'Sie sind ein richtiges Nazischwein.' Dann habe ich ihn noch angespuckt.
Mein Mann bekam Angst um mich. Seit fünfundzwanzig Jahren kann ich nicht
mehr weinen, aber ich bekam damals oft Schüttelfrost. Wenn man nicht mehr
weinen kann, ist das schlimm, weil das in der Brust sitzt und weh tut.
Ich beschwerte mich dann beim Chef des Krankenhauses, aber er sagte:
'Wissen sie, die Ärzte sind so überlastet.'
'Aber in diesem Fall, Herr Professor, war das nicht so, tun Sie etwas!'
forderte ich.
Ich schrieb dann dem Gesundheitsminister, und er antwortete: 'Ihr Mann
hätte schon längst operiert werden müssen, aber die Ärzte sind sehr
überlastet.'
Aber nicht alle Ärzte waren so, manche waren auch sehr nett, ich lernte
auch gute Christen kennen.
Ich hatte eine Freundin in Salzburg, sie ist seit einigen Jahren tot. Ich
habe sie auf einer Kur in Italien kennen gelernt. Ich habe geglaubt, eine
Kur könne mir helfen, doch noch ein Kind zu bekommen, denn ein Kind wollte
ich gern haben. Sie erzählte mir, sie wäre in der HJ [Hitler Jugend]
gewesen, aber ihr Vater sei umgebracht worden, weil er etwas gegen die
Nazis gesagt hatte. Als ich sie in Salzburg einmal besuchte, gingen wir zu
ihrem Sohn und tranken mit der Nachbarin Kaffee. Der Nachbarin gefiel meine
Halskette und sie zeigte mir daraufhin ihren Schmuck. Sie hatte eine
herrliche Smaragdgarnitur, fantastisch und ich dachte sofort: Vielleicht
ist dieser Schmuck von einer jüdischen Familie. In einer Kassette hatte sie
auch Silberzeug und darunter lag ein Hakenkreuz aus Rubinen und ich sagte:
'Warum haben sie das aufgehoben?'
Meine Freundin machte ihr ein Zeichen, aber sie verstand es nicht und
sagte:
'Na ja, man weiß nicht, wann man das wieder brauchen kann.'
Meine Freundin war mir gegenüber einmalig. Wenn mein Mann krank war, fuhr
sie von Salzburg nach Wien und am selben Tag wieder zurück, nur um ihn im
Krankenhaus zu besuchen. Sie war auch die Erste, die am Friedhof war, als
mein Mann gestorben ist. Ich hatte sie sehr gern und sie sagte immer:
'Schau, mein Vater ist auch umgebracht worden, weil er in einem Wirtshaus
was gegen die Nazis gesagt hat.'
Wenn man zu hart ist, kann man in Österreich nicht leben.
Interview
Gertrude Kritzer