Tag #118114 - Interview #78276 (Renate Jeschaunig)

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Ich bin Österreicherin, und ich bin eine überzeugte Jüdin. Ich trage einen großen Mogen Dovid, den darf jeder sehen.

Was mir immer im Gedächtnis ist, ist der Satz, den mein Vater gesagt hat: 'Sie sind als Juden geboren und sie werden als Juden sterben.' Ich kenne das Testament, ich esse nicht koscher, aber ich bete jeden Morgen und Abend das Sch`ma und darum, dass die Seele meines verstorbenen Mannes Ernst Jeschaunig an der Rechten des Allmächtigen ruht.

Mein Sohn Michael ist Mitglied der Kultusgemeinde. Meine Tochter Petra flog 1996 mit ihren Kindern Miriam und Manuel in die USA. Dort mietete sie sich ein Auto und fuhr einen Monat durchs Land. Sie ist eine bewusste Jüdin.

Meine Enkelkinder gehören nicht der jüdischen Gemeinde an. Beide tragen einen Mogen Dovid und sind stolz darauf. Ich wollte Manuel eine längere Kette für seinen Mogen Dovid kaufen, damit ihn nicht jeder sofort sieht, und er gab mir zur Antwort: 'Entweder die Leute mögen mich wie ich bin, oder sie lassen es bleiben.

Da ich nicht so ausschaue, wie der 'Stürmer' [9] sich die Juden vorgestellt hat, höre ich immer wieder antisemitische Bemerkungen. Und ich muss ehrlich sagen, bevor ich die höre, servier ich lieber mein Judentum auf einem silbernen Tablett. Ja, ich bin religiös, nicht orthodox, aber religiös und ich gehe jeden Freitagabend in die Synagoge.
Interview
Renate Jeschaunig