Selected text
Väterlicherseits war der ‚Stammvater’ der Familie Jellinek der Tischler und Lackierer Samuel Jellinek aus Böhmen oder Mähren. Ich glaube mich zu erinnern, dass meine Frau erzählt hat, dass 1938 ein Mann, ein Julius Jellinek hieß aufgetaucht sei, der ein Halbbruder ihres Vaters war, aber vorher keine Beziehung zu der Familie hatte. Es soll so gewesen sein, dass Samuel Jellinek nach dem Tod seiner ersten Frau mit seinen Kindern nach Wien kam und in Wien ein zweites Mal geheiratet hat. Für den ältesten Sohn Julius war in der kleinen Wohnung kein Platz, deshalb wurde er zu einem Schneider in der Brigittenau in die Lehre gegeben. Dieser Bruder ist in einer jüdischen Welt aufgewachsen und wollte mit der Familie nichts zu tun haben. Die Familie lebte in Ottakring in einer dieser typischen Bassenawohnungen, in der zwei Schwestern bis 1938 lebten. Es gab fünf Kinder aus der ersten Ehe: Adele, 1890 geboren, Rosa, 1892, Josef 1894, Laura und Alexander.
Adele wurde als Kind wegen einer rheumatischen Gelenksentzündung erfolglos operiert und konnte sich seither nur mit eine Rollstuhl fortbewegen. Sie schrieb Feuilletons und Artikel für die sozialistischen Zeitungen und einmal einen Roman mit sozialem Inhalt. Ihre Schwester Rosa hat zeitweise bei der Post gearbeitet und war hauptsächlich damit beschäftigt, ihrer Schwester zu helfen. Die beiden Schwestern wurden weitgehend von ihrem Bruder Josef erhalten. Laura war zwergenhaft und leicht verkrüppelt. Als junges Mädchen arbeitete sie als Küchengehilfin, wurde vom Gastwirt geschwängert und hatte eine Tochter Fanny. Später heiratete Laura einen Nichtjuden, den Herrn Kolb und war dadurch 1938 geschützt. Bis 1938 arbeitete sie als Klofrau im Theater an der Josefstadt. Dann verlor sie diesen Posten, aber 1945 konnte sie wieder dort arbeiten.
Das geistige Zentrum der Familie war lange Zeit der Verein ‚Settlement’, der 1901 von bürgerlichen Kreisen nach englischen Vorbildern in Ottakring gegründet wurde, um Kultur in die Proletarierviertel zu bringen. Aus der wenigen vorhandenen Korrespondenz geht hervor, dass Bücher bei allen Jellineks eine große Rolle spielten. Die Tochter Fanny heiratete den Gaskassier Rudolf Berger und hatte mit ihm zwei Töchter und einen Sohn. Alexander arbeitete vor 1934 für die Sozialdemokratische Partei Ottakring und nachher als Hilfsarbeiter. Er war mehrmals verheiratet, jedes Mal mit einer Nichtjüdin und war dadurch 1938 geschützt. Er hatte auch Kinder. Die ‚arischen’ Partner verloren während des Holocaust ihre Stellungen, da sie sich nicht von den jüdischen Partner trennten. Sowohl die Tochter von Alexander als auch die Tochter der Fanny wurden Kindergärtnerinnen, ein Aufstiegsberuf für den man keine Mittelschule benötigte. Fanny und Rudolf starben vor einigen Jahren. Sie waren bis zu ihrem Tod sehr eng mit der Sozialdemokratischen Partei verbunden. Einer der Enkelkinder war Mittelschuldirektor - dessen Karriere scheint durch die Partei sehr gefördert worden zu sein. Josef, der Vater meiner Frau, absolvierte eine Druckerlehre. Er war anscheinend politisch tätig und hatte daher während des 1. Weltkrieges Probleme in der Armee. Er war nicht an der Front. Nach dem Krieg arbeitete er kurz in einer Bank und landete dann bei der sehr angesehenen Wirtschaftszeitschrift ‚Der österreichische Volkswirt’. Die Verbindung scheint durch Kontakte im ‚Settlement’ zustande gekommen zu sein. In dieser Zeit der österreichischen Arbeiterkultur spielte Sport und Wandern eine große Rolle. Bei so einer Gelegenheit scheint er die Mutter meiner Frau kennen gelernt zu haben.
Die Mutter meiner Frau, ihr Mädchenname war Margaretha Heller, stammte aus einer Familie im 1. Bezirk, die ein großes Kaffeehaus besaß.
Adele wurde als Kind wegen einer rheumatischen Gelenksentzündung erfolglos operiert und konnte sich seither nur mit eine Rollstuhl fortbewegen. Sie schrieb Feuilletons und Artikel für die sozialistischen Zeitungen und einmal einen Roman mit sozialem Inhalt. Ihre Schwester Rosa hat zeitweise bei der Post gearbeitet und war hauptsächlich damit beschäftigt, ihrer Schwester zu helfen. Die beiden Schwestern wurden weitgehend von ihrem Bruder Josef erhalten. Laura war zwergenhaft und leicht verkrüppelt. Als junges Mädchen arbeitete sie als Küchengehilfin, wurde vom Gastwirt geschwängert und hatte eine Tochter Fanny. Später heiratete Laura einen Nichtjuden, den Herrn Kolb und war dadurch 1938 geschützt. Bis 1938 arbeitete sie als Klofrau im Theater an der Josefstadt. Dann verlor sie diesen Posten, aber 1945 konnte sie wieder dort arbeiten.
Das geistige Zentrum der Familie war lange Zeit der Verein ‚Settlement’, der 1901 von bürgerlichen Kreisen nach englischen Vorbildern in Ottakring gegründet wurde, um Kultur in die Proletarierviertel zu bringen. Aus der wenigen vorhandenen Korrespondenz geht hervor, dass Bücher bei allen Jellineks eine große Rolle spielten. Die Tochter Fanny heiratete den Gaskassier Rudolf Berger und hatte mit ihm zwei Töchter und einen Sohn. Alexander arbeitete vor 1934 für die Sozialdemokratische Partei Ottakring und nachher als Hilfsarbeiter. Er war mehrmals verheiratet, jedes Mal mit einer Nichtjüdin und war dadurch 1938 geschützt. Er hatte auch Kinder. Die ‚arischen’ Partner verloren während des Holocaust ihre Stellungen, da sie sich nicht von den jüdischen Partner trennten. Sowohl die Tochter von Alexander als auch die Tochter der Fanny wurden Kindergärtnerinnen, ein Aufstiegsberuf für den man keine Mittelschule benötigte. Fanny und Rudolf starben vor einigen Jahren. Sie waren bis zu ihrem Tod sehr eng mit der Sozialdemokratischen Partei verbunden. Einer der Enkelkinder war Mittelschuldirektor - dessen Karriere scheint durch die Partei sehr gefördert worden zu sein. Josef, der Vater meiner Frau, absolvierte eine Druckerlehre. Er war anscheinend politisch tätig und hatte daher während des 1. Weltkrieges Probleme in der Armee. Er war nicht an der Front. Nach dem Krieg arbeitete er kurz in einer Bank und landete dann bei der sehr angesehenen Wirtschaftszeitschrift ‚Der österreichische Volkswirt’. Die Verbindung scheint durch Kontakte im ‚Settlement’ zustande gekommen zu sein. In dieser Zeit der österreichischen Arbeiterkultur spielte Sport und Wandern eine große Rolle. Bei so einer Gelegenheit scheint er die Mutter meiner Frau kennen gelernt zu haben.
Die Mutter meiner Frau, ihr Mädchenname war Margaretha Heller, stammte aus einer Familie im 1. Bezirk, die ein großes Kaffeehaus besaß.
Interview
Robert Walter Rosner