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Nach dem Einmarsch der Deutschen Truppen wurde unser Englischprofessor, der illegales Mitglied der NSDAP war, Direktor der Schule. Er soll sich aber in der Nazizeit relativ korrekt verhalten haben. Unser Lateinprofessor war Jude, ich glaube, er wurde ermordet. In die Schule durften wir kurze Zeit nach dem Einmarsch der Deutschen im März 1938 nicht mehr gehen, da war ich 14 Jahre alt und habe gesellschaftliche Kontakte gesucht. Ich habe mich sehr viel auf der Straße herumgetrieben. Die Parks waren alle für Juden gesperrt, außer der Liechtensteinpark, der hat der Familie Liechtenstein gehört, und dort konnten wir hingehen. Auch in den Prater konnte man gehen. Ich war vierzehn Jahre alt, also in der Pubertät, und mich interessierten Mädchen. Ich war auch sehr an den sozialistischen und kommunistischen Bewegungen interessiert und bin 1938 zum Haschomer Hatzair [9] gestoßen, also erst in der Nazizeit. Der Haschomer war im 2. Bezirk in der Ferdinandstrasse. Was mich interessiert hat, war die kommunistische Ideologie, und wir hatten damals im Haschomer harte Diskussionen. Die Zionisten haben gesagt: Der Antisemitismus wird auch in Russland kommen. Wir haben gesagt: Und was werdet ihr mit den Arabern machen? Im Nachhinein muss ich sagen, dass wir leider beide Recht hatten. Nach dem November 1938 sind die jüdischen Organisationen aufgelöst worden. Der Sport der Juden damals, glaube ich, war das Schwimmen. Die Hakoah [10] war immer Spitze, aber das war dann natürlich alles nicht mehr möglich. Aber in einem Raum in der Praterstraße konnte man Schnur springen, das gehört zum Boxsport. Boxen konnte man lernen, weil man dafür wenig Platz braucht, da bin ich Boxen gegangen.
Location
Wien
Austria
Interview
Robert Walter Rosner
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