Tag #117863 - Interview #78544 (Robert Walter Rosner)

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n der Volksschule in Wien hatte ich nicht nur jüdische Freunde. Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der Antisemitismus selbstverständlich war, er hat zum täglichen Leben gehört. 1934 bin ich in die Mittelschule in der Albertgasse im 8. Wiener Gemeindebezirk gekommen. Das war zu Beginn der Schuschnigg [6] - Zeit, damals wurden die Klassen konfessionell getrennt. Eine Klasse war katholisch, eine Klasse jüdisch und protestantisch. Wir waren ungefähr 26 jüdische und sechs protestantische Buben. Da waren dann meine Freunde alle jüdisch.

Religionsunterricht war, und ist auch heute, Teil des regelmäßigen Unterrichtes. Da es genügend jüdische Schüler gab, war der Religionslehrer ein Mitglied des Lehrkörpers. Im Religionsunterricht haben wir Hebräisch gelernt. Mein Religionslehrer war Zionist, er hat versucht, uns auch das moderne Hebräisch beizubringen, aber er war kein guter Pädagoge. Ich kann aber trotzdem heute noch ein wenig Hebräisch. Einmal in der Woche mussten die jüdischen Kinder in den Tempel gehen. Das war bei mir der Tempel in der Neudeggergasse. Jeder Schüler erhielt eine Karte mit dem Wochenabschnitt, wodurch ersichtlich war, dass er am Jugendgottesdienst teilgenommen hatte. Mein Vater war ein zutiefst überzeugter Jude und hat sehr darauf geachtet, dass ich am Jugendgottesdienst teilnehme, aber ich habe mich vor dem Religionsunterricht gedrückt, soweit ich konnte.
Period
Location

Wien
Austria

Interview
Robert Walter Rosner