Tag #117803 - Interview #82830 (Sylvia Segenreich)

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An die Bar Mitzwa von Benni kann ich mich noch genau erinnern. Damals war es üblich nach der Feier im Tempel ins jüdische Restaurant, Vorhand hieß der Besitzer, zu gehen und mit den Freunden und Verwandten weiter zu feiern. Das Restaurant war in einem Keller, in der Weihburggasse, im 1. Bezirk. Vorhand hatte auch eine jüdische Bäckerei in der Hollandstrasse, im 2. Bezirk. Er war sein eigener Maschgiach, das bedeutet, er passte selber auf, dass das Essen nach den jüdischen Gesetzen ‚rein’ ist. Eines Abends habe ich zu meinem Mann gesagt: ‚Ich will nicht in der Weihburggasse die Feier machen, das Essen ist nicht gut und der Service ist noch schlechter. Die einen sind noch bei der Vorspeise, die anderen schon bei der Nachspeise. Ich will eine schöne Bar Mitzwa.’ Was war mir eingefallen? Das Hotel InterContinental, in der Johannesgasse, hatte gerade eröffnet. Dort wollte ich mich erkundigen. Mein Mann war entsetzt und meinte, dass der Preis ein Wahnsinn sein werde und die Speisen außerdem nicht koscher, also nach jüdischen Gesetzen rein. Aber unsere Freunde waren alle nicht koscher, und der Rabbiner würde eben etwas Vegetarisches essen und Wein trinken. Ich habe im Hotel angerufen, mich angemeldet und bin hingefahren. Da war ein sehr freundlicher junger Direktor, sehr nett, der mir sofort Vorschläge für das Buffet machte. ‚Moment bitte,’ habe ich gesagt ‚das geht alles nicht, wir sind Juden.’ Daraufhin holte er einen seiner Köche. Dieser Koch hatte jahrelang in Amerika in einem jüdischen Restaurant gearbeitet. Was für ein Zufall! Ich habe mich mit dem Koch über gefillte Fisch und viele andere Speisen unterhalten. Er hat gesagt, er weiß wie man jüdische Gerichte zubereitet. Nun der Preis! Das war ja sehr wichtig, denn wir haben mit über Einhundert Gästen gerechnet. Mein Mann konnte gut reden, immerhin war sein erlernter Beruf Anwalt. Mein Mann hat also zu dem Direktor gesagt: ‚Schaun Sie, wenn Sie das moderat machen werden, garantier ich Ihnen, dass es nach unserer Feier andere jüdische Feiern geben wird.’ Und es hat sich bewahrheitet: Es gab dann andere Bar Mitza Feiern und auch jüdische Hochzeiten dort, denn es hat sich herumgesprochen, wie wunderbar das Essen und der Service waren. Ein paar Tage vor der Feier rief mich der Koch an und bat mich, dass ich kommen soll, um ihm genau zu zeigen, wie ich das Essen haben möchte. Daraufhin habe ich gesagt: ‚Wissen Sie was, kommen Sie zu mir. In meiner Küche kenne ich mich aus.’ Und ich habe ihm alles gezeigt. Und einen Tag vor der Feier hat er mich in der Früh angerufen, ich soll abschmecken kommen, ob es ihm so gelungen sei, wie ich es wolle. Alle Gäste haben dann gesagt: ‚Wer hat das gekocht, es ist wunderbar!’ Das habe ich alles für Benni gemacht, denn ich habe nur einen Sohn, und ich wollte eine schöne Bar Mitzwa.
Period
Location

Wien
Austria

Interview
Sylvia Segenreich
Tag(s)