Tag #117702 - Interview #78532 (Franziska Smolka)

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Ich glaube, nach seiner Flucht aus Österreich wurde Onkel Fritz sehr religiös. Seither legte er großen Wert auf die Tradition. Er litt sehr darunter, dass sein Bruder Franz nicht am jüdischen Friedhof begraben wurde. Es war ihm auch überaus wichtig, dass meine Mutter nicht, wie sie es gewünscht hatte, nach ihrem Tode verbrannt wurde, sondern dass sie bei meinen Großeltern in Graz am jüdischen Friedhof begraben wird. In Buenos Aires wurde Onkel Fritz Mitglied in einem Tempel und lebte ein religiöses jüdisches Leben. Täglich legte er Tefillin [Anm.: Lederne ‚Gebetskapseln‘, die im jüdischen Gebet an der Stirn und am linken Arm getragen werden und Texte aus der Torah enthalten] und betete. Bei ihm zu Hause traf sich die ganze Familie, alle die in der Nähe lebten - Geschwister, Nichten Neffen, Cousins und Cousinen - Freitagabend zum Schabbat und zu allen anderen Feiertagen. Aber beim Essen hielt sich Onkel Fritz, trotz seiner Frömmigkeit, nicht an die Gebote. Bei ihm zu Hause gab es kein Schweinernes zu essen - Freitagabend gab es immer Barches, die seine Frau gebacken hat - aber ich weiß, dass er im Restaurant mit großem Genuss Schweinsbraten verzehrte.
Interview
Franziska Smolka