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Der nächste Bruder meiner Mutter war der Hermann. Er hatte im Jahre 1912 oder 1913, ich weiß nicht genau wann, mit so einer Art Traktor einen Unfall, und ein Fuß musste ihm amputiert werden. Als die Russen im Ersten Weltkrieg in die Bukowina kamen, das war im Jahre 1914, ist Hermann beim Gut geblieben, weil er gesagt hat, dass jemand drauf aufpassen muss. Der jüngste der Brüder, der Josef, hat daraufhin gesagt: ich lasse ihn nicht allein und blieb bei ihm. Als die Russen kamen, wurden sie beide nach Russland verschleppt. Ich weiß nicht, wo sie dort waren, ich weiß nur, dass man sie getrennt hat. Der Josef arbeitete in einer kleinen Stadt in einem Textilgeschäft, und der Hermann, er hatte eine Beinprothese, hat bei einem Bauern gearbeitet. Die zwei haben nicht gewusst, wo der andere sich aufhält. Das hat man mir so erzählt, ich kann es nur so weitererzählen. In das Textilgeschäft, in dem der Josef gearbeitet hat, kam eines Tages ein Bauer vom Land und wollte dieses und jenes kaufen. Er kannte den Inhaber des Geschäftes und fragte ihn, wer denn der Josef sei. Der antwortete, das sei ein Flüchtling oder so etwas Ähnliches - aber ein sehr braver Bursch. Und der sagte, so einen habe er auch, der sei auch brav und anständig, aber leider fehle ihm ein Fuß. Das hörte der Josef, und er fragte den Bauern, wie sein Angestellter heiße. So haben sich die Brüder wieder gefunden. Nach dem Krieg konnten sie wieder in die Bukowina zurück.
Period
Interview
Sylvia Segenreich
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