Tag #117502 - Interview #78532 (Franziska Smolka)

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Da der Herr Jank oft seinen großen Kundenstamm besuchte und neue Kunden werben musste, hat meine Großmutter das Geschäft geführt. Sie hat auch dafür gesorgt, dass die Hühner verpackt und von Lohndienern, in Weidenkörben mit Eisblöcken, auf den Bahnhof geführt wurden.
In der Weihnachtszeit wurden Hühner verschickt, die als besondere Attraktion als Steirerbub und Steirermädel angezogen waren.

Jeden Abend hat meine Großmutter den Tagesumsatz zur Bank am Grazer Hauptplatz gebracht. Hinter dem Schalter, ihr vis a vis, saß mein Großvater Josef Bendiner. Sieben Jahre, jeden Tag, hat sie ihn gesehen, ihn geschätzt, ihn heiß verehrt, aber er hat sie nicht einmal angeschaut.
Als Herr Jank im Jahre 1905 Selbstmord beging, er erhängte sich im Hotel Straubinger in Bad Gastein, hinterließ er ein Testament, das sogar in der Kronen Zeitung veröffentlicht wurde. In dem Testament wurde jeder, der mit ihm irgendwie geschäftlich in Kontakt gekommen war, vom Lohndiener bis zum Dienstmann und der Bedienerin, mit einem Legat bedacht. Aber als Universalerbin hat er meine Großmutter, das Fräulein Regine Singer, die das Geschäft bereits jahrelang allein geführt hatte, eingesetzt. Man kann sich vorstellen, was das für ein Aufruhr in Graz gewesen ist. Ein jüdisches Mädchen vom Land ist von einem protestantischen Junggesellen als Universalerbin eingesetzt worden. Das war monatelang das Gespräch der Stadt.

Von einem Moment zum anderen ist meine Großmutter ein wohlhabendes Mädchen geworden, denn das Erbe hat 70.000 Kronen betragen. Das war sehr viel Geld! Meine Großmutter erzählte, wie daraufhin die Herren ihr die Tür eingerannt sind und sie heiraten wollten.
Interview
Franziska Smolka