Selected text
Mein Vater hatte im Innenministerium einen Freund, einen Slowaken. Er kam in dieser Zeit zu uns nach Hause und brachte uns Lebensmittel, die wir dringend brauchten.
Eines Tages, das war im Jahre 1941, rief er meinen Vater an und sagte ihm, er müsse verschwinden, weil er einer der Ersten sein wird, den sie deportieren werden. Viele Juden hatte man vorher schon in die Provinz verbannt.
Das waren noch keine Deportationen in Konzentrationslager, aber sie durften nicht mehr in Pressburg leben. Mein Vater hatte durch seine kaufmännischen Tätigkeiten einen Pass und ein ungarisches Visum, und er wusste von einem Taxichauffeur, der Leute nach Ungarn brachte.
Der Taxichauffeur fuhr uns nach Ungarn. Wir packten nur das Nötigste ein und fuhren am selben Abend zur Großmutter nach Ungarn. Wir ließen die Wohnung so stehen, wie sie war; mit Lebensmitteln und allem was in dem Haus war.
Einer unserer nicht jüdischen Angestellten aus dem Geschäft gaben wir die Schlüssel, sie sollte uns verschiedene Sachen bringen, aber sie plünderte dann unsere Wohnung aus. Wir erfuhren später von einem Nachbarn, dass mein Vater am selben Abend gesucht wurde.
Nach dem Krieg wurde der Freund meines Vaters bei einem Kriegsverbrecherprozess verurteilt, denn er war einer, der aktiv bei den Deportationen mitgewirkt hatte. Er hatte seine sogenannte Pflicht getan.
Diese ganzen Deportationen waren nicht von den Slowaken initiiert; das war ein Geschäft. Die Slowaken hatten die Deutschen dafür bezahlt, dass sie die Juden los wurden und sich ihr Vermögen behalten durften. Das war eine finanzielle Transaktion.
Zuerst waren wir in der Provinz, in Pápa, bei meiner Großmutter, aber dort konnten wir nicht lange bleiben, weil die Ortschaft sehr klein war und unser Visum nicht sehr lange gültig war.
Wir waren dann illegal dort, aber illegal konnte man in der Provinz nicht leben. Also flüchteten wir nach Budapest, wo man leichter untertauchen konnte. Mein Vater besorgte sich verschiedene Papiere, damit er zumindest legal Untermieter sein konnte.
Wir hatten nur ein Zimmer, darum wurde ich zu den Schwiegereltern meines Onkels in die Provinz gebracht, aber dort wurde ich erwischt, weil ich dort auch illegal war. Zum Glück ließen sie mich laufen. Ich musste also wieder nach Budapest.
Wir lebten dann zu viert in einem Zimmer bei einer Familie. Diese Familie war darauf angewiesen, ein bisschen Geld zu verdienen. Die Tochter der alten Dame hatte eine Putzereiübernahme in einer Souterrain Wohnung.
Beim ersten Luftangriff der Russen wurde dieses Souterrainlokal als Luftschutzkeller gebraucht. So hatte sie ihre Existenz verloren. Eigentlich wollte sie uns aus ihrer Wohnung haben, wir waren zu viele Personen in der kleinen Wohnung, aber zum Glück brauchten sie das Geld.
Mein Vater machte in Budapest mit Freunden Geschäfte, so dass wir leben konnten. Er besorgte Papiere für uns, und im Frühjahr 1943 reisten wir aus Budapest völlig legal, über Bulgarien und Rumänien, in die Türkei.
Wir mussten aufpassen, dass man bei uns nichts Jüdisches findet, keine Gebetbücher, keine Gebetsriemen; nichts was darauf hingewiesen hätte, dass wir Juden sind. Wir fuhren von Bukarest nach Sofia.
Mein Vater hatte in Sofia einen Freund, der uns vom Zug abholte, weil die nächste Bahnverbindung in die Türkei erst um Mitternacht ging, und wir schon am Vormittag ankamen. Er versorgte uns, konnte uns am Abend aber leider nicht zum Zug begleiten, weil Juden den Judenstern tragen und am Abend nicht ausgehen durften.
Das war unser großes Glück, weil wir von einem deutschen Offizier aufgehalten wurden. Mein Vater konnte ihn überzeugen, dass wir harmlose Touristen sind. Wie er das gemacht hat, weiß ich nicht.
Der deutsche Offizier war wahrscheinlich nicht besonders intelligent, er hätte nur in Pressburg anrufen brauchen, aber wir haben nicht jüdisch ausgeschaut. Wir sind in den Schlafwagen eingestiegen, mitten in der Nacht.
In Svilengrad sind noch die Deutschen gesessen: Das war die letzte Hürde, die Grenze vor der Türkei. Der Zug fuhr von der türkischen Grenze nach Istanbul, jedoch ein Stückchen über griechisches Territorium, denn so verläuft die Bahnlinie. Griechenland war deutsch besetzt, das hieß, wenn die Deutschen uns hätten packen wollen, hätten sie uns dort noch aufhalten können.
Ich war 12 Jahre alt, und es begann in mir zu dämmern, in welcher Gefahr wir uns befanden. Aber alles klappte, und am nächsten Tag kamen wir in Istanbul an. Das war der 1. Mai 1943, da waren wir endlich draußen. Wir hatten es geschafft!
Eines Tages, das war im Jahre 1941, rief er meinen Vater an und sagte ihm, er müsse verschwinden, weil er einer der Ersten sein wird, den sie deportieren werden. Viele Juden hatte man vorher schon in die Provinz verbannt.
Das waren noch keine Deportationen in Konzentrationslager, aber sie durften nicht mehr in Pressburg leben. Mein Vater hatte durch seine kaufmännischen Tätigkeiten einen Pass und ein ungarisches Visum, und er wusste von einem Taxichauffeur, der Leute nach Ungarn brachte.
Der Taxichauffeur fuhr uns nach Ungarn. Wir packten nur das Nötigste ein und fuhren am selben Abend zur Großmutter nach Ungarn. Wir ließen die Wohnung so stehen, wie sie war; mit Lebensmitteln und allem was in dem Haus war.
Einer unserer nicht jüdischen Angestellten aus dem Geschäft gaben wir die Schlüssel, sie sollte uns verschiedene Sachen bringen, aber sie plünderte dann unsere Wohnung aus. Wir erfuhren später von einem Nachbarn, dass mein Vater am selben Abend gesucht wurde.
Nach dem Krieg wurde der Freund meines Vaters bei einem Kriegsverbrecherprozess verurteilt, denn er war einer, der aktiv bei den Deportationen mitgewirkt hatte. Er hatte seine sogenannte Pflicht getan.
Diese ganzen Deportationen waren nicht von den Slowaken initiiert; das war ein Geschäft. Die Slowaken hatten die Deutschen dafür bezahlt, dass sie die Juden los wurden und sich ihr Vermögen behalten durften. Das war eine finanzielle Transaktion.
Zuerst waren wir in der Provinz, in Pápa, bei meiner Großmutter, aber dort konnten wir nicht lange bleiben, weil die Ortschaft sehr klein war und unser Visum nicht sehr lange gültig war.
Wir waren dann illegal dort, aber illegal konnte man in der Provinz nicht leben. Also flüchteten wir nach Budapest, wo man leichter untertauchen konnte. Mein Vater besorgte sich verschiedene Papiere, damit er zumindest legal Untermieter sein konnte.
Wir hatten nur ein Zimmer, darum wurde ich zu den Schwiegereltern meines Onkels in die Provinz gebracht, aber dort wurde ich erwischt, weil ich dort auch illegal war. Zum Glück ließen sie mich laufen. Ich musste also wieder nach Budapest.
Wir lebten dann zu viert in einem Zimmer bei einer Familie. Diese Familie war darauf angewiesen, ein bisschen Geld zu verdienen. Die Tochter der alten Dame hatte eine Putzereiübernahme in einer Souterrain Wohnung.
Beim ersten Luftangriff der Russen wurde dieses Souterrainlokal als Luftschutzkeller gebraucht. So hatte sie ihre Existenz verloren. Eigentlich wollte sie uns aus ihrer Wohnung haben, wir waren zu viele Personen in der kleinen Wohnung, aber zum Glück brauchten sie das Geld.
Mein Vater machte in Budapest mit Freunden Geschäfte, so dass wir leben konnten. Er besorgte Papiere für uns, und im Frühjahr 1943 reisten wir aus Budapest völlig legal, über Bulgarien und Rumänien, in die Türkei.
Wir mussten aufpassen, dass man bei uns nichts Jüdisches findet, keine Gebetbücher, keine Gebetsriemen; nichts was darauf hingewiesen hätte, dass wir Juden sind. Wir fuhren von Bukarest nach Sofia.
Mein Vater hatte in Sofia einen Freund, der uns vom Zug abholte, weil die nächste Bahnverbindung in die Türkei erst um Mitternacht ging, und wir schon am Vormittag ankamen. Er versorgte uns, konnte uns am Abend aber leider nicht zum Zug begleiten, weil Juden den Judenstern tragen und am Abend nicht ausgehen durften.
Das war unser großes Glück, weil wir von einem deutschen Offizier aufgehalten wurden. Mein Vater konnte ihn überzeugen, dass wir harmlose Touristen sind. Wie er das gemacht hat, weiß ich nicht.
Der deutsche Offizier war wahrscheinlich nicht besonders intelligent, er hätte nur in Pressburg anrufen brauchen, aber wir haben nicht jüdisch ausgeschaut. Wir sind in den Schlafwagen eingestiegen, mitten in der Nacht.
In Svilengrad sind noch die Deutschen gesessen: Das war die letzte Hürde, die Grenze vor der Türkei. Der Zug fuhr von der türkischen Grenze nach Istanbul, jedoch ein Stückchen über griechisches Territorium, denn so verläuft die Bahnlinie. Griechenland war deutsch besetzt, das hieß, wenn die Deutschen uns hätten packen wollen, hätten sie uns dort noch aufhalten können.
Ich war 12 Jahre alt, und es begann in mir zu dämmern, in welcher Gefahr wir uns befanden. Aber alles klappte, und am nächsten Tag kamen wir in Istanbul an. Das war der 1. Mai 1943, da waren wir endlich draußen. Wir hatten es geschafft!
Location
Istanbul/
Türkiye
Interview
Georg Kastner
Tag(s)