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Die Leute in Linz haben erzählt, dass die, die aus Mauthausen befreit worden sind, Gesindel waren. Das war kein Gesindel, das waren Skelette. Die Linzer haben sich nicht viel darum gekümmert, was geschehen war. Als ich 1980 Präsident der Linzer Kultusgemeinde wurde, habe ich mir gesagt, dass ich etwas gegen Antisemitismus und für die Aufklärung der Bevölkerung über das Judentum tun muss. Wenn heute extreme Armut entstehen würde, würden die Leute sicher wieder auf die Juden, die im Blickfeld sind, losgehen. So habe ich mich darum bemüht, die Leute aufzuklären und zwischen Christen und Juden zu vermitteln, denn mich haben immer wieder Leute gefragt: Was ist ein Jude? Ich erkläre in Vorträgen, was die jüdische Religion für die Christen bedeutet. Es gibt Gemeinsames zwischen diesen Glaubensrichtungen, aber es gibt auch krasse Unterschiede. Man muss lernen, diese Unterschiede zu tolerieren. Wir haben uns damals, vor 1938, als Österreicher gefühlt. Man hat sich freundlich gegrüßt und ganz normal als Nachbarn nebeneinander gelebt. Ich habe mich mit meinen Schulkameraden gut verstanden, wir sind zusammen Schwimmen gegangen. Meine Mutter und meine Tanten trugen Dirndln, ich kann mich erinnern, der Bäckermeister Exel hat wunderbare Kipferln gemacht, mein Vater hat durch seine Betriebe vielen Menschen Arbeit gegeben. Das war das Gefährliche, man fühlte sich so absolut integriert. Nie hätten wir uns vorstellen können, was dann passiert ist.
Hinterher hat niemand etwas gewusst, das ist, glaube ich, menschliches Verhalten. Oder sie sagen, sie haben das nicht gewollt.
Hinterher hat niemand etwas gewusst, das ist, glaube ich, menschliches Verhalten. Oder sie sagen, sie haben das nicht gewollt.
Interview
Georg Wozasek