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Mein Vater war in Wien damit beschäftigt, ein Ausreisevisum für sich und meine Mutter nach Amerika zu bekommen. Die Verhältnisse wurden immer schwieriger. Er hatte inzwischen durch eine Postkarte die Aufforderung bekommen, sich zum Polentransport zu melden. Das war im Oktober 1939, da hatte der Krieg schon begonnen. Polen hätte seinen Tod bedeutet und wahrscheinlich auch den Tod meiner Mutter, denn ich weiß nicht, ob sie die Kraft gehabt hätte, ohne meinen Vater Österreich rechtzeitig, vor ihrer Deportation, zu verlassen. Meine Eltern hatten Affidavits von einem weitläufigen Verwandten von Tante Lillis geschiedenem Ehemann Paul Markovicz bekommen, der ein erfolgreicher Stock Broker war und für meine Eltern gebürgt hat. Es war nicht einfach, alle Papiere zusammenzubekommen, die man brauchte, um Österreich verlassen zu können und sein Leben zu retten. Meine Eltern brauchten gültige Pässe, die österreichischen Pässe waren knapp nach dem ‚Anschluss’ Österreichs an Deutschland ungültig, Außerdem brauchten alle Juden, die die Einreisemöglichkeit in ein anderes Land hatten, viele Bestätigungen darüber, dass sie keine Schulden beim Staat hatten, dass sie, wenn Werte vorhanden waren, die Judenvermögensabgabe, die Reichsfluchtsteuer und die Sühneabgabe bezahlt hatten. Diese Steuern dienten dazu, die in die Emigration Flüchtenden zu zwingen, ihr gesamtes Vermögen dem Staat zu überlassen. Erst nachdem sämtliche ‚Steuerverfahren’ - besser wäre wohl Verfahren zur Ausplünderung zu sagen - abgeschlossen waren, wurde die so genannte ‚Steuerunbedenklichkeit’ erklärt. Im Falle meiner Eltern hat diese Bescheinigung der kommissarische Leiter, der unsere Firma liquidiert hatte und Dr. Rudolf Bast, Jurist, Amstettener Bürger, Mitglied der NSDAP und Kreisrechtsamtsleiter von Amstetten, relativ schnell erteilt. Sie haben meinem Vater und meinem Onkel Rudolf dadurch das Leben gerettet. So haben es meine Eltern und mein Onkel noch geschafft, am 11. November 1939 mit einem Affidavit nach Amerika zu flüchten. Sie sind mit dem Zug über Zürich nach Italien gefahren und weiter mit dem Schiff nach New York. Vom Schiff aus, bereits in Sicherheit, hat mein Vater dem kommissarischen Leiter und dem Dr. Rudolf Bast eine Karte geschrieben, auf der er sich bei beiden für die Hilfe bedankt. Diese Karte hat Dr. Rudolf Bast nach dem Krieg dafür benutzt um zu beweisen, dass er sich während des Krieges nicht schuldig gemacht hat, sogar Juden geholfen hat und daraufhin durfte er weiterhin als angesehener Bürger Amstettens normal weiterleben.
Location
NY
United States
Interview
Georg Wozasek
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