Tag #117291 - Interview #83047 (Georg Wozasek)

Selected text
Mein Großvater war von den vielen Geschwistern der Jüngste. Er hat mit seinen Brüdern Sigmund und Adolf einen ganzen Papierkonzern aufgebaut. 1931 erschien zum 50. Jubiläum der Firma Brüder Mahler das Büchlein ‚Über Mahler’ - Papier und Pappenfabriken 1881-1931, Der Werdegang unserer Firma.
Und in einer Zeitung erschien folgender Artikel:
‚50 Jahre Papier -und Pappenfabriken Brüder Mahler. Anlässlich des 50jährigen Bestandsjubiläums der Papier -und Pappenfabriken Brüder Mahler (1881-1931) ist eine Jubiläumsschrift erschienen, in der die Geschichte der Papier- und Pappenfabriken in Rennersdorf, Traun, Wieselburg, Ybbs und Weißenberg sowie des landtäflichen Gutes Schloss Weissenberg behandelt wird. Ursprünglich in Kemmelbach als Produktenhandel gegründet, brachte der, als Geschäftszweig betriebene Hadernhandel die Firma mit der in der Nähe befindlichen Papierverbindung in Verbindung. Damit war der Anstoß gegeben, sich mit diesem immer mehr von der Hadernerzeugung auf die maschinelle Fabrikation umstellenden Fabrikszweig zu befassen. Zunächst wurden die Maschinen in der Papiermühle in Rennersdorf verbessert, dann eine in der Nähe von Kemmelbach stillgelegte Säge erworben. Im laufe der Jahre steigerte sich mit der Modernisierung der Maschinen die Produktion, 1903 wurde die seit den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts bestehende Fabrik Doktor Franz Feurstein in Traun und kurz darauf die Papierfabrik F. C. Alkier in Wieselburg an der Erlauf erworben. In Traun wurden damals neben anderen Sorten als besondere Spezialität Packseiden- und Zigarettenpapiere erzeugt. Inzwischen waren die Werke in gute Entwicklung gekommen. Die erzeugte Produktion konnte wegen der verlässlichen Qualität leicht verkauft werden und es konnte im Jahre 1913 darangegangen werden, die Fabrikation des Werkes in Rennersdorf zu vervielfachen. Im selben Jahr wurde noch das fünfte Werk, das Halbstockwerk Hofmühle in Weißenberg an der Krems, erworben. In diesem wurden ausschließlich Hadernhalbstoffe erzeugt, ein Halbprodukt, das in der Feinpapierindustrie Verwendung findet und das an Papierfabriken in der ganzen Welt geschickt wurde. In der Jubiläumsschrift ist neben den Gründern Sigmund Mahler und Kommerzialrat Adolf Mahler auch der Nachfolger Kommerzialrat Gottlieb Mahler, Josef Mahler, Kommerzialrat Wilh. Mahler und Ing. Rob. Mahler gedacht, nicht zuletzt aller treuen Mitarbeiter, die bis zum heutigen Tag 25 Jahre oder noch länger in Diensten der Papier- und Pappenfabriken Brüder Mahler stehen.’  
Zuerst war es eine Papierfabrik, dann sind mein Großvater und seine Brüder expandiert und haben Fabriken in Ybbs, Wieselburg, Rennersdorf, Traun und Weissenberg errichtet. Schon damals waren sie überaus bekannt.
In Kemmelbach war der Handel mit den Hadern [Lumpen] angesiedelt, und von dort wurden die Fabriken beliefert. Die Lumpen wurden in großen Bottichen, in denen große Steine waren, zerkleinert. Das war im so genannten Kollergang. Danach kamen sie in einen Kocher und wurden gekocht. Dann wurden sie in einem Holländer, in dem sich eine Messerwalze befand, fibrilliert [zerfasert und gemahlen]. Danach wurden sie gebleicht, entwässert, aufgehängt und getrocknet.
Die fertigen Blätter wurden noch einmal verdünnt und im Holländer wieder fibriliert, noch mehr verdünnt und dann kamen sie auf eine Papiermaschine, wo das fertige Blatt formiert und getrocknet wurde. Das ist die Beschreibung der damaligen Papierherstellung in Kurzform. Heutzutage ist das natürlich alles modernisiert.
Im nächsten Bottich befand sich eine Walze mit Messern, und dort wurde der Brei noch mehr zerkleinert. Dann wurde das Produkt gebleicht, herausgeholt und entwässert, aufgehängt und getrocknet. Das waren dann schon richtige Papierblätter. Heutzutage ist das alles modernisiert, aber das Grundprinzip ist gleich geblieben. Die Papierfabriken brauchen Wasser zum Antrieb der Maschinen. Egal wo, alle standen deshalb an einem Fluss.
Kemmelbach war ein kleines Dorf. Am Anfang des Dorfes war ein Produktengeschäft, ich glaube, der Besitzer war Jude und hieß Ganz. Das Haus steht noch heute. In Kemmelbach gab es ein Schloss, und rechts vom Schloss stand das Haus meines Großonkels Sigmund. Links vom Schloss befand sich die Firma Brüder Mahler mit Lager und Büroräumen und der Wohnung meines Großvaters Gottlieb Mahler. Ringsherum waren Getreidefelder. Ich war oft zu Besuch bei den Großeltern. Entweder mit meiner Mutter oder allein. Der Chauffeur meines Vaters hat meine Mutter und mich zusammen oder mich allein zu den Großeltern gebracht. Meine Großeltern haben getrennt geschlafen, und wenn ich zu Besuch war, habe ich im Zimmer zusammen mit meiner Großmutter geschlafen. Es gab zwei, drei Angestellte im Haus. Die Köchin Anna hatte mich sehr gern. Was ich die ganzen Tage dort gemacht habe, wenn ich zu Besuch war, weiß ich nicht mehr genau. Aber ich weiß, dass ich sehr gern dort war, und ich mich auch nie gelangweilt habe. Ich bin zum Beispiel gern auf den Lumpenballen herumgeklettert oder mit der Großmutter schwimmen gegangen. Der Großvater hat zu dieser Zeit noch in der Firma gearbeitet.
Location

Rennersdorf
Austria

Interview
Georg Wozasek