Selected text
Wir haben alle in Wien im selben Haus gewohnt. Die Tante war zuerst Verkäuferin in einer Likörstube, die einem jüdischen Schwesternpaar gehörte. Die Likörstube war auch in dem Haus, in dem wir wohnten. Die Tante war sehr lange dort beschäftigt, wurde dann Geschäftsführerin, und hat irgendwann die Likörstube dem Schwesternpaar abgekauft.
Meine Kindheit
Meine Eltern haben in Wien geheiratet. Mein Vater war Goldarbeiter, er war sehr geschickt, er hat Armketten händisch hergestellt. Zuerst hatte er eine Werkstätte in unserer Wohnung, dann hat er ein Geschäft im 2. Bezirk gemietet, in der Sebastian-Kneipp Gasse.
In meiner entfernten Verwandtschaft väterlicherseits war die schönste Frau der Welt. Sie hieß Liesl Goldarbeiter. Ihre Mutter war Christin, und ihr Vater war Jude. Sie war aus Ungarn, hat in Wien gelebt, und wurde wirklich in den 1930er-Jahren zur schönsten Frau der Welt gewählt. Sie ist von Österreich nach New York zur Weltkonkurrenz geschickt worden, und da hat man sie ausgewählt. Sie kam aus kleinbürgerlichen jüdischen Verhältnissen, aber in dem Moment, als sie berühmt war, hat sie jeder begehrt. Sie hat dann den Krawattenerzeuger Spielmann geheiratet. Spielmann war Jude und hatte eine Fabrik in Wien. Er war bekannt durch die sogenannten 'Sphinx' Krawatten, das waren besonders gute Krawatten. Während des Krieges ist Liesl nach Ungarn zur Verwandtschaft zurückgefahren. In dieser Verwandtschaft gab es auch jüdische Offiziere, die, solange sie durften, ihre Uniform und den Säbel trugen. Liesl hat den Holocaust überlebt, wie es mit ihrem Mann weiter gegangen ist, weiß ich nicht. Wenn man Geld und Hirn hatte, konnte man eventuell rechtzeitig weg.
Mein Bruder Eugen ist am 25. Februar 1913 in Wien geboren. Er war sieben Jahre älter als ich. Ich wurde am 2. April 1920 in Wien geboren. Meine Familie war nicht arm, aber ich hatte keine gute Familie. Die jüdischen Familien hatten das Prinzip, ihre Kinder etwas lernen zu lassen. Das war bei uns nicht der Fall. Meine Eltern sind beide vom Land gekommen und hatten das Niveau des Landes. Mein Vater hat viel gearbeitet, gut verdient, aber ich denke, er hätte viel mehr verdienen können, denn er war ein guter Handwerker. Ich hatte kaum Kontakt zu meinem Bruder. Er musste nach Beendigung der Schule zehn Stunden am Tag beim Vater arbeiten - das war fürchterlich für ihn. Er ist auch in schlechte Gesellschaft geraten, er hatte ja nichts außer der Arbeit beim Vater.
Meine Kindheit
Meine Eltern haben in Wien geheiratet. Mein Vater war Goldarbeiter, er war sehr geschickt, er hat Armketten händisch hergestellt. Zuerst hatte er eine Werkstätte in unserer Wohnung, dann hat er ein Geschäft im 2. Bezirk gemietet, in der Sebastian-Kneipp Gasse.
In meiner entfernten Verwandtschaft väterlicherseits war die schönste Frau der Welt. Sie hieß Liesl Goldarbeiter. Ihre Mutter war Christin, und ihr Vater war Jude. Sie war aus Ungarn, hat in Wien gelebt, und wurde wirklich in den 1930er-Jahren zur schönsten Frau der Welt gewählt. Sie ist von Österreich nach New York zur Weltkonkurrenz geschickt worden, und da hat man sie ausgewählt. Sie kam aus kleinbürgerlichen jüdischen Verhältnissen, aber in dem Moment, als sie berühmt war, hat sie jeder begehrt. Sie hat dann den Krawattenerzeuger Spielmann geheiratet. Spielmann war Jude und hatte eine Fabrik in Wien. Er war bekannt durch die sogenannten 'Sphinx' Krawatten, das waren besonders gute Krawatten. Während des Krieges ist Liesl nach Ungarn zur Verwandtschaft zurückgefahren. In dieser Verwandtschaft gab es auch jüdische Offiziere, die, solange sie durften, ihre Uniform und den Säbel trugen. Liesl hat den Holocaust überlebt, wie es mit ihrem Mann weiter gegangen ist, weiß ich nicht. Wenn man Geld und Hirn hatte, konnte man eventuell rechtzeitig weg.
Mein Bruder Eugen ist am 25. Februar 1913 in Wien geboren. Er war sieben Jahre älter als ich. Ich wurde am 2. April 1920 in Wien geboren. Meine Familie war nicht arm, aber ich hatte keine gute Familie. Die jüdischen Familien hatten das Prinzip, ihre Kinder etwas lernen zu lassen. Das war bei uns nicht der Fall. Meine Eltern sind beide vom Land gekommen und hatten das Niveau des Landes. Mein Vater hat viel gearbeitet, gut verdient, aber ich denke, er hätte viel mehr verdienen können, denn er war ein guter Handwerker. Ich hatte kaum Kontakt zu meinem Bruder. Er musste nach Beendigung der Schule zehn Stunden am Tag beim Vater arbeiten - das war fürchterlich für ihn. Er ist auch in schlechte Gesellschaft geraten, er hatte ja nichts außer der Arbeit beim Vater.
Interview
Wilhelm Steiner