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Unsere Tochter Eva Johanna wurde am 21. Februar 1968 geboren und unser Sohn Stefan Jakob am 22. Januar 1970. Unsere Kinder waren in der Volksschule außerordentliche Hörer im katholischen Religionsunterricht, weil meine Frau und ich der Meinung waren, der Großteil der Kinder in der Klasse geht in den Religionsunterricht, sollen sie auch gehen. Wir waren außerdem der Meinung, die Kinder sollen wissen, dass die Menschen verschieden leben und dass es Christen, Moslems und Juden gibt. Wenn wir im Sommer mit ihnen in Jugoslawien Urlaub machten, besichtigten wir zum Beispiel auch eine Moschee. Wir waren zu Chanukkafeiern [23] mit den Kindern in Wien in der Synagoge, auch mit den Kindern meines Bruders. Ich hatte in den ersten zwei Gymnasiumsklassen am evangelischen Religionsunterricht teilgenommen, weil meine Eltern fanden, man soll wissen, woran ein Großteil der Bevölkerung glaubt. Die Lehrerin meiner Kinder fragte mich aber wiederholt, wann ich denn vorhätte, die Kinder taufen zu lassen. Und ich sagte ihr, dass ich das keineswegs vorhabe und sicher nie tun werde. Irgendwann bekamen sie die Aufgabe, über ‚Unser größtes Fest: Ostern’ zu schreiben. Meine Tochter schrieb in ihr Heft: Unser größtes Fest heißt Pessach [24] und das größte Fest der Christen heißt Ostern. Also scheinen wir sie doch nicht so wertfrei erzogen zu haben, wie wir uns das eingebildet hatten.
Mein Bruder, Kaufmann von Beruf, genauso areligiös wie ich aufgewachsen, wurde ein ebenso bewusster Jude wie ich und beschloss irgendwann, eine jüdische Frau zu finden. Er fand eine, verliebte sich, und deren mütterliche Großmutter sagte zu ihm sinngemäß: ‚Wenn du nicht in der Synagoge heiratest, werde ich den Kontakt zu euch abbrechen und meine Enkelin nicht mehr sehen!’ Und so trat mein Bruder lange vor mir in die Kultusgemeinde ein, um seine Frau zu heiraten. Seine Kinder wurden von Geburt an jüdisch erzogen. Mein Vater lud den Rabbiner nach Hause ein, um sich mit ihm zu unterhalten, und dann fragte ihn der Rabbiner, ob er und meine Mutter nicht auch der Kultusgemeinde beitreten wollten, aber das lehnte mein Vater entschieden ab. Er sagte: ‚Was meine Kinder machen ist ihre Sache, ich akzeptiere es und kann es durchaus gutheißen, aber das hat mit mir nichts zu tun.
Mein Bruder, Kaufmann von Beruf, genauso areligiös wie ich aufgewachsen, wurde ein ebenso bewusster Jude wie ich und beschloss irgendwann, eine jüdische Frau zu finden. Er fand eine, verliebte sich, und deren mütterliche Großmutter sagte zu ihm sinngemäß: ‚Wenn du nicht in der Synagoge heiratest, werde ich den Kontakt zu euch abbrechen und meine Enkelin nicht mehr sehen!’ Und so trat mein Bruder lange vor mir in die Kultusgemeinde ein, um seine Frau zu heiraten. Seine Kinder wurden von Geburt an jüdisch erzogen. Mein Vater lud den Rabbiner nach Hause ein, um sich mit ihm zu unterhalten, und dann fragte ihn der Rabbiner, ob er und meine Mutter nicht auch der Kultusgemeinde beitreten wollten, aber das lehnte mein Vater entschieden ab. Er sagte: ‚Was meine Kinder machen ist ihre Sache, ich akzeptiere es und kann es durchaus gutheißen, aber das hat mit mir nichts zu tun.
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Interview
Timothy Smolka
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