Tag #116504 - Interview #78523 (Vera Stulberger)

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Von Gyöngyös wurden wir nach Hatvan gebracht, das Sammellager für das Komitat Heves war dort, man hatte die Zuckerfabrik für diesen Zweck geleert. Wir waren in einem riesengroßen Raum, da lagen wir, aber ob wir eine Strohmatte hatten oder nur eine Decke, das weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall lagen wir nebeneinander mit unseren kleinen Habseligkeiten am Kopf oder an den Füßen. Die Eisenbahn hatte Einfahrt auf das Fabrikgelände, wir wurden dort eingefrachtet, wir waren so um die 70 in einem Waggon. Meine beiden Tanten, meine Schwester und ich waren zusammen, denn mein Onkel war damals schon im Arbeitsdienst. Und wir alle sind - wie durch ein Wunder - zusammengeblieben, auch meine beiden Tanten sind zurückgekommen. Als wir eingefrachtet wurden, gab man uns zwei Eimer, zwei Kannen Wasser und etwas Essen mit. Wir fuhren über die Tschechoslowakei. Wir wussten nicht, wo wir waren, man wusste nicht, was Auschwitz ist. Wir haben nur gehört, dass Leute verschwunden waren. Die religiöse Familie im Hof hatte eine Tochter, die mit einem Mann aus Kaschau verheiratet war. Wir haben gehört, dass auch sie verschleppt wurden, aber wohin, das wussten wir nicht. Als der Zug anhielt, wussten wir nicht, wo wir waren, wir wussten auch nicht, ob wir weiterfahren oder nicht, und als die Waggontüren geöffnet wurden, sahen wir Baracken und Leute in Decken gewickelt, daher wussten wir, dass es irgendein Lager ist. Man schrie: „Los, los, aussteigen!“, und ich habe noch mit der Edith, meiner Schwester, gestritten, denn sie hatte irgendein kleines Gepäck, und das wollte sie nicht im Waggon lassen. Wir hatten keine Sachen mit, aber was wir mithatten, mussten wir auch im Waggon lassen. Man sagte, dass wir später alles bekommen würden. Und sie hat mich beschimpft: „Warum hast du das bisschen nicht mitnehmen können, du hättest es doch mitnehmen können.“ Aber es blieb uns sowieso nichts, nur die Schuhe durften wir mitnehmen, sonst nichts.
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Interview
Vera Stulberger
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