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Mit dem Diplom in der Tasche wurde man Arbeitsstellen [siehe: Verpflichtender Arbeitsauftrag in der UdSSR] [16] zugeteilt. Das war 1944, es war schon Anfang der Offensive und Moskau oder Leningrad kamen nicht in Frage, weil diese Städte noch evakuiert waren. In Dschelabis, einer Industriestadt im Süden des Ural, war ein berühmtes Rohrwalzwerk in das wir, zu unserem Entsetzen, eingeteilt wurden. Aber wir nutzten das Durcheinander und gingen in das Werk in Swerdlowsk, in dem wir für das Diplom gearbeitet hatten. Die Betriebe waren selbstverständlich interessiert an Kräften. Wir arbeiteten wieder zwölf Stunden täglich, und ich glaube, auch jeden zweiten Sonntag. Das Essen war kärglich: Brot, schlechtes Öl, Tee aus getrockneten Karotten. Am Markt konnte man vieles kaufen, aber dafür reichte unser Geld nicht. Das Werk, in dem wir arbeiteten, war auch evakuiert, wir lebten in schrecklichen Baracken. In Swerdlowsk konnten im Winter minus 30 Grad sein, und wir hatten kein fließendes Wasser und einen russischen Ofen [17] zum Heizen und zum Kochen. Ich hatte so etwas vorher niemals im Leben gesehen. Einmal bekam ich in einem Dorfladen zufällig warme Unterhosen in der Farbe rot.
Location
Swerdlowsk
Russia
Interview
Emilia Ratz