Tag #115719 - Interview #78301 (Bruno Bittmann)

Selected text
Ich begann Schwachstromtechnik zu studieren und arbeitete nebenher für die Jewish Agency [17]. Zu dieser Zeit kamen wegen einer antisemitischen Welle in Polen jeden Tag fünfhundert jüdische Flüchtlinge nach Wien, die nach Israel oder woandershin emigrieren wollten. 

Ich musste sie am Bahnhof abholen, verköstigen und dann zum Flughafen oder zur Bahn bringen. Und ich habe in der israelischen Botschaft als Nachtwächter gearbeitet, dass waren meine Jobs. Und zu gleicher Zeit studierte ich.Als ich mit dem Studium fertig war, wollte ich komischerweise zurück nach Israel.

Aber ich wollte auf meinem Gebiet arbeiten, und es gelang mir, vierzig Generalvertretungen der großen elektronischen Firmen Deutschlands zu bekommen, die letzte war die Firma 'Zuse'. Konrad Zuse war der Erfinder der Computer. Er baute den ersten programmgesteuerten Rechner der Welt. Er ist bekannt in der ganzen Literatur.

Der Firma Zuse begegnete ich in Wien auf einer Messe und bewarb mich als Generalvertreter. Ich bekam die Vertretung und musste viel lernen. Ich ging nach Bad Herzfeld [Deutschland], dort war die Firma ansässig. Während des Lernens ließ mich Herr Zuse zu sich rufen, die Firma bestand aus ungefähr 150 Mitarbeitern, und bot mir an, die Exportabteilung aufzubauen.

Er hat mir ein Gehalt angeboten, dass ich nicht ablehnen konnte, so gut war es. Das war 1959. Die Vertretungen übertrug ich einem anderen und blieb bei Zuse als Export - und Produktforschungsleiter. Vom kaufmännischen hatte ich keine Ahnung und ging durch die harte Schule des Schwagers von Herrn Zuse, der ein 'Hamburger Kaufmann' war - 'Hamburger Kaufmann', das ist ein Titel. Er formte mich zum Kaufmann. Alles, was ich dann wurde, verdanke ich ihm.

Meine Frau hatte sich geweigert mit mir nach Bad Herzfeld zu kommen. Sie blieb in Wien, aber die Ehe war bereits kaputt, als wir aus Israel nach Wien kamen. Unsere Tochter Nava wurde 1960 in Tel Aviv geboren, die Ehe wurde geschieden.

Als ich bei Zuse aufgenommen wurde im Export, ich wollte damals noch nach Israel zurück, sprach ich mit Zuse darüber, dass es nicht schlecht wäre, wenn er eine Fabrik in Israel hätte. Das leuchtete ihm ein. Es war das Jahr 1961 und zwar der Tag, an dem Eichmann [18] geschnappt wurde.
Interview
Bruno Bittmann