Tag #115443 - Interview #78532 (Franziska Smolka)

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Für mich ist die Existenz Israels sehr wichtig, denn es gibt kaum ein Volk, das nicht ein Land hat, in dem es lebt. Ich glaube, dass Israel der Platz auf der Welt ist, wo Juden zu Hause sein können. Das ist ein Zufluchtsort, ein Land, in das man entweder übersiedelt oder zumindest dorthin geht, um Kraft zu tanken für die Zeit, die man nicht dort lebt. Wir haben uns in Tel Aviv eine Wohnung gekauft, und ich bin sehr erleichtert, seit wir sie haben, obwohl ich keine akuten Ängste hab. Nach Haus kommen sind meine eigenen vier Wände, in denen ich mich wohl fühle, wo ich mich erholen kann in einer Umgebung, in der ich zur Mehrheit gehöre und niemals das Gefühl haben kann, dass wenn jemand sich über mich ärgert oder mit mir schreit, er mit mir schreit, weil ich Jüdin bin, sondern weil er mit mir nicht zufrieden ist. Und das ist ein sehr schönes Gefühl, dass ich so genommen werde, wie ich bin. Die Israelis unterscheiden sich untereinander genauso, wie die Juden in verschiedenen Ländern. Es ist ein großer Unterschied zwischen den Juden, die aus arabischen Ländern kommen, also einen muslimischen Hintergrund haben und Juden, die aus Europa oder Amerika kommen. Mir ist an Israel wichtig, dass es selbstverständlich ist, dass jeder von irgendwo kommt. Dass es selbstverständlich ist, dass jeder eine andere Sprache sprechen kann und dass es selbstverständlich ist, dass man sich bemüht, den anderen zu verstehen im Wissen, dass er Probleme hat, hebräisch zu sprechen. Man bemüht sich über die Brücke einer anderen Sprache Zugang zu dem Menschen zu finden. Das finde ich sogar recht lustig.

Israels Stärke liegt unter anderem darin, dass die Menschen solidarisch miteinander umgehen, denn sie haben alle das gleiche Ziel, sie wollen dort überleben. Wenn man in die Geschichte schaut, in der es keine Bedrohung von außen gegeben hat, dann führte das eigentlich dazu, dass sich das Gemeinwesen auflöste. Ich bin nicht sicher wie es sich entwickeln würde, wenn die äußere Bedrohung Israels eines Tages beendet werden würde, und Juden sich zu Menschen wie alle anderen entwickeln und wie alle anderen dorthin gehen, wo sie beruflich mehr Vorteile hätten. Vorstellbar ist das schon, aber ich glaube nicht, dass sie deshalb aufhören würden, Juden zu sein. Der harte Kern, die Religiösen und die Zionisten, werden dieses Land wahrscheinlich niemals verlassen, wenn sie es nicht müssen.

Auf Dauer könnte ich mir aber nicht vorstellen, in Israel zu leben, denn ich bin schon zu alt dazu. Wenn wir noch jung wären, und wenn wir beruflich dort Fuß fassen könnten, und wenn die Kinder noch klein wären und dort in die Schule gingen, und wir eine Chance hätten in das Leben integriert zu werden, dann könnte ich mir das vorstellen. Aber als Pensionisten, die von ihrer Pension leben, ist es allein schon schwierig, gesellschaftlich Kontakt zu finden, so wie das in allen Ländern eigentlich ist, in denen man nicht zu Hause ist, oder in denen man nicht längere Zeit gelebt hat.

Wir haben natürlich auch Kontakt mit den Kindern und Enkelkindern unserer Familie in Israel. Aber die ältere Generation stirbt, wie das halt der Lauf der Zeit ist, und die Jungen sind Israeli und sprechen hebräisch. Eine Zeit lang nehmen sie Rücksicht auf uns, sie sprechen mit uns englisch oder manche auch deutsch, aber dann driften die Gespräche ins Hebräische ab, und da haben wir Schwierigkeiten zu verstehen. Als Besucher oder Gast ist es sehr interessant und sehr nett. Urlaub machen in Israel jederzeit, auch mehrere Male im Jahr. Manchmal habe ich so einen Druck, dass ich es in Österreich nicht mehr sehr gut aushalte, dass ich raus muss. Da bin ich immer sehr froh, dass es die Möglichkeit gibt, einen Sprung nach Israel zu machen. Danach wird das Leben hier in Wien auch wieder sehr angenehm.
Period
Location

Israel

Interview
Franziska Smolka