Selected text
Mein Großvater väterlicherseits war Sudetendeutscher, hieß Josef Fischer und war nicht jüdisch. Er hatte die Militär-Realschule in St. Pölten absolviert, war Offizier und Lehrer in einer Militär Realschule. Anfang der 1930er-Jahre starb er in Graz. Über diesen Großvater kann ich eigentlich kaum etwas berichten. Ich weiß nur, dass meine Großmutter ihn nicht geliebt hat, dass sie mit ihm verheiratet wurde, wie sie immer betonte und dass sie, wie er gestorben ist, alle Bilder und alles vernichtet hat, was an ihn erinnerte. Ich kenne von ihm eigentlich nur zwei Fotos.
Die Mutter meines Vaters, Agnes Fischer, kam aus einer alten Adelsfamilie. Sie war eine geborene Planner von Wildinghof, wurde am 23. August 1877 geboren und hatte das Offizierstöchterinstitut in Hernals besucht. Diese Familie Planner von Wildinghof geht weit zurück. Mein Vater hat behauptet, bis zurzeit vom ‚Friedel mit der leeren Tasche’, der der Sohn des Herzogs Leopold III. von Österreich (1351-1386) war. Da sollen die Planner von Wildinghof Höflinge am Hof in Tirol gewesen sein. Der Adelsbrief, den man gebraucht hätte, als mein Vater in die Marineakademie eintreten sollte, denn es durften nur adelige Söhne eintreten, war nicht aufzufinden. Da ging mein Urgroßvater zum Kaiser nach Wien und erwirkte, dass man ihm einen Militäradelstitel verlieh. Dann war er Edler von Planner, vorher war er Graf Planner. Es war eine große Familie, aber die kenne ich nur aus Papieren. Ich glaube aber, die Großmutter hatte kein Vermögen und der Großvater verdiente nicht viel Geld, so dass mein Urgroßvater gelegentlich mit Geld aushalf. Er hatte auch organisiert, dass mein Vater in die Marineakademie gekommen ist, denn das war eine kostspielige Angelegenheit. Die Familie lebte nicht nur in Graz, auch an anderen Orten, weil der Großvater Lehrer an Militärrealschulen war. Wo überall, weiß ich nicht genau. Ich glaube, anfangs ist das Ehepaar Fischer miteinander gereist, aber je mehr Kinder waren, desto mehr wurde die Großmutter in Graz sesshaft. Mein Vater hatte drei Brüder und eine Schwester.
Sein ältester Bruder war der bekannte österreichische Schriftsteller und Politiker Ernst Fischer. Er wurde am 3. Juli 1899 in Komotau [heute: Chumutov, Tschechien] geboren. Ich weiß, dass die ‚Buben’, so wurden die Söhne meiner Großmutter immer genannt, als Kinder Aufsatz- und Poesie Hefte für ihre Mutter führten und dadurch schon sehr früh schriftstellerisch tätig waren. Mein Onkel Ernst schrieb später viele Gedichte und übersetzte auch wunderbar Gedichte von Francois Villon [9] aus dem Französischen. In Graz war er Redakteur beim ‚Arbeiterwille’ und von 1927-1934 arbeitete er als Redakteur der sozialdemokratischen ‚Arbeiterzeitung’ in Wien. Ab 1934 war er Mitglied der KPÖ und emigrierte gemeinsam mit seiner ersten Frau, der Schriftstellerin Ruth von Mayenburg, die am 1. Juli 1907 in Serbitz [heute: Srbice, Tschechien], geboren wurde, und die er im Jahre 1932 geheiratet hatte, in die Sowjetunion. Nach der Rückkehr nach Wien, wurde die Tochter Dr. Marina Fischer-Kowalski geboren, die Professorin für Soziale Ökologie ist und zwei Kinder, Katharina und Boris, hat. Die Ehe meines Onkels ging in Wien, ich glaube, in den 1950er-Jahren, zu Ende. Ernst heiratete Lou Eisler [10], die in voriger Ehe mit dem Komponisten Hanns Eisler verheiratet war. Onkel Ernst starb 1972.
Mein Onkel Walter Fischer studierte in Graz Medizin. Er heiratete Magda Schacherl, ein sehr schönes jüdisches Mädchen, die Kindergärtnerin war. Ihr Bruder Richard Schacherl war in Graz ein bekannter Architekt, der vor dem Holocaust nach Neuseeland emigrierte. Er war verheiratet und hatte eine Tochter. Mein Onkel und seine Frau übersiedelten in den 1930er-Jahren nach Wien, und Tochter Ruth wurde in Wien geboren. Walter arbeitete bei den Ziegelarbeitern am Laaer Berg als praktischer Arzt. Die Familie floh 1934 nach Moskau, nachdem man Walter wegen seiner politischen Tätigkeiten für die Sozialdemokratische Partei im Anhaltelager Wöllersdorf [11] eingesperrt hatte. Er lebte in Moskau, wie auch meine Eltern, im Schutzbundhaus [12]. 1936 ging er nach Spanien, um als Arzt im Spanischen Bürgerkrieg zu kämpfen.
Mein Vater Otto wurde am 30. Dezember 1901 in Graz geboren. Nach meinem Vater wurde noch die Schwester Agnes geboren, die sehr schön gewesen sein soll. Wie auch die Brüder hatte sie starke literarische Ambitionen und viele Freunde, die mit Kunst zu tun hatten. Sie starb in den 1920er-Jahren, ich glaube, an einer Bauchhöhlenschwangerschaft.
Ich denke, erst anlässlich der Hochzeit ihrer Kinder lernten sich meine Großmütter persönlich kennen. Das war keine Liebesbeziehung. Meine Großmutter erzählte mir, dass sie die Mutter meines Vaters, die zu dieser Zeit in Wien lebte und berühmt dafür war, dass sie sehr gut backen und kochen konnte, brieflich darum bat, sie möge ihr doch einige Rezepte geben. Die Mutter meines Vaters schickte Rezepte mit der Bemerkung, dass dürfe man aber nur dann kochen und backen, wenn sicher sei, dass ihr Sohn Otto auch davon etwas zu essen bekomme.
Die Mutter meines Vaters, Agnes Fischer, kam aus einer alten Adelsfamilie. Sie war eine geborene Planner von Wildinghof, wurde am 23. August 1877 geboren und hatte das Offizierstöchterinstitut in Hernals besucht. Diese Familie Planner von Wildinghof geht weit zurück. Mein Vater hat behauptet, bis zurzeit vom ‚Friedel mit der leeren Tasche’, der der Sohn des Herzogs Leopold III. von Österreich (1351-1386) war. Da sollen die Planner von Wildinghof Höflinge am Hof in Tirol gewesen sein. Der Adelsbrief, den man gebraucht hätte, als mein Vater in die Marineakademie eintreten sollte, denn es durften nur adelige Söhne eintreten, war nicht aufzufinden. Da ging mein Urgroßvater zum Kaiser nach Wien und erwirkte, dass man ihm einen Militäradelstitel verlieh. Dann war er Edler von Planner, vorher war er Graf Planner. Es war eine große Familie, aber die kenne ich nur aus Papieren. Ich glaube aber, die Großmutter hatte kein Vermögen und der Großvater verdiente nicht viel Geld, so dass mein Urgroßvater gelegentlich mit Geld aushalf. Er hatte auch organisiert, dass mein Vater in die Marineakademie gekommen ist, denn das war eine kostspielige Angelegenheit. Die Familie lebte nicht nur in Graz, auch an anderen Orten, weil der Großvater Lehrer an Militärrealschulen war. Wo überall, weiß ich nicht genau. Ich glaube, anfangs ist das Ehepaar Fischer miteinander gereist, aber je mehr Kinder waren, desto mehr wurde die Großmutter in Graz sesshaft. Mein Vater hatte drei Brüder und eine Schwester.
Sein ältester Bruder war der bekannte österreichische Schriftsteller und Politiker Ernst Fischer. Er wurde am 3. Juli 1899 in Komotau [heute: Chumutov, Tschechien] geboren. Ich weiß, dass die ‚Buben’, so wurden die Söhne meiner Großmutter immer genannt, als Kinder Aufsatz- und Poesie Hefte für ihre Mutter führten und dadurch schon sehr früh schriftstellerisch tätig waren. Mein Onkel Ernst schrieb später viele Gedichte und übersetzte auch wunderbar Gedichte von Francois Villon [9] aus dem Französischen. In Graz war er Redakteur beim ‚Arbeiterwille’ und von 1927-1934 arbeitete er als Redakteur der sozialdemokratischen ‚Arbeiterzeitung’ in Wien. Ab 1934 war er Mitglied der KPÖ und emigrierte gemeinsam mit seiner ersten Frau, der Schriftstellerin Ruth von Mayenburg, die am 1. Juli 1907 in Serbitz [heute: Srbice, Tschechien], geboren wurde, und die er im Jahre 1932 geheiratet hatte, in die Sowjetunion. Nach der Rückkehr nach Wien, wurde die Tochter Dr. Marina Fischer-Kowalski geboren, die Professorin für Soziale Ökologie ist und zwei Kinder, Katharina und Boris, hat. Die Ehe meines Onkels ging in Wien, ich glaube, in den 1950er-Jahren, zu Ende. Ernst heiratete Lou Eisler [10], die in voriger Ehe mit dem Komponisten Hanns Eisler verheiratet war. Onkel Ernst starb 1972.
Mein Onkel Walter Fischer studierte in Graz Medizin. Er heiratete Magda Schacherl, ein sehr schönes jüdisches Mädchen, die Kindergärtnerin war. Ihr Bruder Richard Schacherl war in Graz ein bekannter Architekt, der vor dem Holocaust nach Neuseeland emigrierte. Er war verheiratet und hatte eine Tochter. Mein Onkel und seine Frau übersiedelten in den 1930er-Jahren nach Wien, und Tochter Ruth wurde in Wien geboren. Walter arbeitete bei den Ziegelarbeitern am Laaer Berg als praktischer Arzt. Die Familie floh 1934 nach Moskau, nachdem man Walter wegen seiner politischen Tätigkeiten für die Sozialdemokratische Partei im Anhaltelager Wöllersdorf [11] eingesperrt hatte. Er lebte in Moskau, wie auch meine Eltern, im Schutzbundhaus [12]. 1936 ging er nach Spanien, um als Arzt im Spanischen Bürgerkrieg zu kämpfen.
Mein Vater Otto wurde am 30. Dezember 1901 in Graz geboren. Nach meinem Vater wurde noch die Schwester Agnes geboren, die sehr schön gewesen sein soll. Wie auch die Brüder hatte sie starke literarische Ambitionen und viele Freunde, die mit Kunst zu tun hatten. Sie starb in den 1920er-Jahren, ich glaube, an einer Bauchhöhlenschwangerschaft.
Ich denke, erst anlässlich der Hochzeit ihrer Kinder lernten sich meine Großmütter persönlich kennen. Das war keine Liebesbeziehung. Meine Großmutter erzählte mir, dass sie die Mutter meines Vaters, die zu dieser Zeit in Wien lebte und berühmt dafür war, dass sie sehr gut backen und kochen konnte, brieflich darum bat, sie möge ihr doch einige Rezepte geben. Die Mutter meines Vaters schickte Rezepte mit der Bemerkung, dass dürfe man aber nur dann kochen und backen, wenn sicher sei, dass ihr Sohn Otto auch davon etwas zu essen bekomme.
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Interview
Franziska Smolka
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