Klassenfoto - Jüdisches Gymnasium

Im Jahre 1932 war in ganz Europa eine große Wirtschaftskrise. Zum Glück war unsere Familie nicht davon betroffen. Ich ging nun schon in die erste Klasse des jüdischen Gymnasiums, war eine gute Schülerin, hatte viele Freundinnen und sogar schon einige Verehrer, die mir meine Schultasche trugen. Am Nachmittag mußte ich überlegen, ob ich mit meiner Freundin und den Puppenwagen spazieren gehen oder lieber mich mit den Buben im 'Glacis' treffen sollte. In dem Alter wußte ich oft nicht, was mit mir anzufangen, zum Beispiel habe ich mir eingebildet, da ich immer ein dunkler Typ war und mein Bruder blond und blauäugig, daß ich eigentlich ein Zigeunerkind war, welches meine Eltern in Bilowitz, unserem Sommersitz, wo immer Zigeuner in ihren Wägen waren, zu sich genommen hatten. Das war auch ein Grund, meiner Meinung nach, warum meine Mutter mich immer strenger bestrafte als meinen Bruder! Ich sperrte mich im Badezimmer ein und heulte jämmerlich! Ich war auch nicht gerne am Abend alleine zu Hause - ich fühlte mich sooo einsam! In die Schule ging ich zu Fuß, und es dauerte 20 Minuten, doch für den Heimweg brauchte ich 1 Stunde. Erstens führte der Weg an einer Wand mit Bildern aus Filmen vorbei, und ich stand davor und malte mir den Inhalt des Filmes aus. Dann kam ich am elegantesten Hotel, dem Grand Hotel, vorbei, und ich schaute in die Halle und dachte, was müssen das für Menschen sein , die in so vornehmen Hotels wohnen. Der dritte Grund für mein langsames Gehen war die Angst vor dem Mittagessen. Ich hatte nie Hunger, und einen Widerwillen zu essen, doch ich mußte alles, was auf den Teller kam, aufessen. Wenn ich nicht essen wollte, wurde ich in das Vorzimmer geschickt.