Mein Grossvater vor unserem Haus

Mein Großvater väterlicherseits Antal Weisberger war Angestellter der Glaubensgemeinde, eine meiner Tanten wohnte auch bei ihnen, die war in einer Anwaltskanzlei angestellt, die beiden anderen Tanten waren verheiratet, die wohnten nicht mehr bei ihren Eltern. Diese waren also die Geschwister meines Vaters. Er hatte neun Geschwister: Sándor, Samu, Hugó, Aladár, Dezsö, Rózsi, Rezsin, Iboly und Annus. Die Familie meines Vaters war sehr familienlieb. Meine Großmutter hieß Mária Weisberger, geborene Kohn, ich war ihre Lieblingsenkelin. In Gyöngyös hatte sie drei Enkel, in Veszprém zwei Enkelinnen und zwei Enkel, in Budapest zwei Enkel, in Sárospatak eine Enkelin und dann uns drei. Mein Großvater trug immer einen Anzug, meine Großmutter ganz normale Kleider: Rock und Bluse. Sie trug keine Perücke, sie hatte sehr schöne, schneeweiße Haare. Meine Großeltern führten einen koscheren Haushalt, die Feste hat man gefeiert und meine Großmutter zündete jeden Freitag eine Kerze an, alle Feiertage haben wir eingehalten, am Samstag wurde nicht gekocht. Mein Großvater war Angestellter der Glaubensgemeinde, und am Samstag war er immer in der Synagoge. Aber meine Großmutter ging nicht mit, denn außer an Feiertagen müssen die Frauen nicht in die Synagoge gehen, nicht einmal die ganz religiösen gehen hin, denn es reicht, wenn eine Jüdin zu Hause betet. Meine Großmutter war nicht so religiös, als dass sie gebetet hätte. Sie ging unbedeckten Hauptes und an Feiertagen ging sie mit der Handtasche in die Synagoge. An großen Feiertagen gingen meine Großeltern ohne Frühstück in die Synagoge, zum Beispiel an Rosh Hashana (Neujahr) wohnte die Familie eines Onkels in der Nähe der Synagoge, und da brachte die Dienstmagd das Frühstück hin, und dann gingen sie in die Synagoge zurück. Das weiß ich, weil das für mich als Kind sehr interessant war, dass die Magd das Frühstück brachte. Dann zu Jom Kippur (Tag der Versöhnung und Fasttag), wenn wir abends zur Synagoge gingen, musste man fasten, dann am nächsten Tag gingen wir am Abend nach Hause und haben Abend gegessen. Das Abendessen war immer so: erst Kaffee mit Zopfkuchen und Quarkkuchen. Das ist ja bis heute so. Und dann musste man mit dem Hühnchen ein Opfer darbringen. (Alte Zeremonie: Am Morgen oder am Abend des Tages vor Jom Kippur nehmen die Männer einen Hahn und die Frauen ein Huhn, und auf die Versöhnung wartend, drehen sie diese dreimal über dem Kopf herum.) So was hat man immer gehalten, das machte mein Großvater über meinem Kopf, und da es sehr viele Hähnchen gab, gab es außer Geflügel sowieso nichts, man musste überall essen, was es gab, aber es gab weder Enten noch Gänse, denn überall hat man diese Opfer dargebracht. Ich weiß gar nicht, wie man es heute macht, wenn man kein Hähnchen kaufen kann. Und dann, wenn der Hunger mit dem Frühstück schon vertrieben war, fingen wir an, Warmes zu essen, überall gab es Paprikahuhn mit Eiergersten und Hühnersuppe.