Karel Stiassny im Urlaub

Das ist mein Vater mit einer Frau, die ich nicht kenne. Er hatte einen guten Bariton und verdiente sich in seiner Jugend etwas Geld als Chorist und Statist am Theater. Da machte er auch die Bekanntschaft von Leo Slezak und Maria Jeritza, damals die bedeutendsten Opernstars. Ich liebte es, wenn er sang: 'Gold und Silber hab ich gern....' und 'Der Mann mit dem Koks ist da!' Die ganze Tschechoslowakei wurde am 15. März 1939 von den Deutschen besetzt.Mein Vater war Direktor einer großen Textilfabrik und wurde sofort gekündigt. Die Leitung der Fabrik übernahm der frühere Schlosser. Nach einigen Tagen sah man, daß es so nicht funktioniert, und man rief meinen Vater wieder zurück. Da aber Juden nicht mehr die Straßenbahn benutzen durften, verlangte mein Vater eine Transportmöglichkeit. So kam es, daß täglich zwei SS-Männer mit ihrem 'Kübelwagen' meinen Vater abholten und abends wieder zurück brachten. Das war natürlich sehr riskant, denn man sperrte Juden ganz grundlos ein. Wir hatten ein großes Zimmer mit 6 Fenstern und weitem Ausblick, ich sehe meine Mutter gegen Abend von einem Fenster zum anderen gehen und Ausschau halten, ob mein Vater auch wieder nach Hause kommt! Von all diesen Aufregungen bekam meine Mutter einen Stimmbänderkrampf und verlor ihre Stimme. Es war eine sehr aufregende Zeit und wir alle wurden sehr eingeschüchtert und verschreckt. Im Jänner 1954, gerade an meinem Geburtstag, starb mein Vater ganz plötzlich. Mein Vater spielte noch am Nachmittag Bridge. Am Abend brachte Kurt die Eltern zu einer Versammlung nach Tel Aviv. Dort traf mein Vater viele Bekannte, plauderte und begrüßte Alle. Als dann Alle ihre Plätze einnahmen, sagte mein Vater: 'Dort winkt mir eine schöne Frau zu' und legte den Kopf auf die Schulter seines Freundes, der vor ihm saß. Alle lachten, denn sie glaubten, er mache Spaß, doch meine Mutter sah sein graues Gesicht und rief nach einem Arzt. Man trug ihn mit dem Sessel hinaus--- er war bereits tot. Es war ein Tod, wie er sich ihn immer wünschte: nur nicht krank dahinsiechen. Doch er war erst 64 Jahre, mitten im Leben, und wir alle konnten es nicht fassen. Lange schaute ich zur gewohnten Zeit zur Tür und dachte, jetzt kommt er aus der Arbeit zum Essen. Meine Mutter war unter Schock und wie auch zur Zeit als Hitler in der Tschechei einmarschierte, so auch jetzt: Sie verlor die Stimme.