Herbert Wolfgang Reisner

Wien
Österreich
Datum des Interviews: Oktober 2001
Name des Interviewers: Sandra Slomovits

Meine Großeltern väterlicherseits kamen ursprünglich aus der Slowakei nach Wien, die zu der Zeit zu Österreich-Ungarn gehörte. Sie wohnten im 2. Bezirk, in der Herminengasse. Mein Großvater war Lehrer, meine Großmutter war Hausfrau. Sie waren beide sehr religiös und natürlich koscher 1. Mein Großvater, seinen Vornamen weiß ich nicht, war schon gestorben, als ich 1924 geboren wurde. Meine Großmutter Regina muss um 1925/1926 gestorben sein.

Mein Vater, Ludwig Reisner, wurde am 4. November 1896 in Senec, cirka 25 Kilometer nordöstlich von Bratislava, geboren. Er sprach ein wenig Slowakisch und sehr gut Ungarisch, weil er ungarische Schulen besucht hatte. Er ist 1915 oder 1916, jedenfalls während des 1. Weltkrieges, nach Wien gekommen. Mein Vater hatte einen jüngeren Bruder Samuel, der 1892 in Senec geboren war und eine Schwester Frieda. Onkel Samuel hatte auch in Wien gelebt und war auch nach Bratislava geflüchtet, von wo er am 29. September 1944 nach Polen deportiert und ermordet wurde. 

Mein Großvater mütterlicherseits hieß Markus Stern, meine Großmutter Ida, geborene Balint. Meine Großmutter kam aus einer sehr guten ungarischen Familie und hatte zwei Brüder - einer war ein sehr berühmter Arzt, der andere war Diplomat. Die Großeltern waren 1898 aus Budapest nach Wien gekommen. Sie hatten zwei Töchter, eine war meine Mutter Anna und die andere war meine Tante Edith, die bei den Großeltern wohnte. Meine Tante war Schauspielerin, und ich hatte ein sehr nahes Verhältnis zu ihr - uns verband die Kunst. Bis zu ihrer Hochzeit mit Max Wolf, der Angestellter in einem Konfektionsgeschäft auf der Mariahilferstraße war und wenig mit dem Judentum zu tun hatte, spielte meine Tante unter dem Namen Edith Siegwart sogar in kleinen Rollen am Burgtheater. Durch meine Tante waren dadurch oft, aber das war vor meiner Zeit, verschiedene junge Kunst-, Musik- und Schauspielstudenten zu Besuch bei den Großeltern, die dann später teilweise berühmt wurden, wie zum Beispiel der Dirigent Lovro von Matačić, damals ein junger Bursch war und bei den Großeltern Klavier gespielt hat.

Meine Großmutter war eine große stattliche Frau, mein Großvater war etwas kleiner als sie. Er war Versicherungsdirektor bei der Versicherung ‚Victoria zu Berlin’ in der Währingerstrasse 2, und sie war Hausfrau. Beide waren ganz normal gekleidet. Der Großvater hat sich bis zu seinem Tod viel mit Religion beschäftigt. Er war nicht direkt religiös, also nicht direkt fromm, aber er hat sich sehr viel mit dem Talmud 2 beschäftigt. Immer, wenn ich gekommen bin, hat er im Talmud gelesen. Aber ich weiß nicht, ob er koscher war, jedenfalls Schweinefleisch ist nicht auf den Tisch gekommen.

Meine Großeltern haben in der Dürwaringstraße, im 18. Bezirk, gewohnt. Wir haben sie jeden Sonntag besucht. Ich erinnere mich, ich bin oft auf dem Schoß des Großvaters gesessen. Das Haus war groß und hatte einen schönen Garten, in dem ich als kleiner Junge gespielt habe. Einmal hat mich ein hinter mir herlaufender bellender Hund gebissen, seither habe ich bellende Hunde nicht gern. Ich erinnere mich auch an die vielen Hendln und an die Gansln, die ich bei meinen Großeltern gegessen habe.

Zwei Tage nach dem Begräbnis meines Großvaters in den 1930er-Jahren ist meine Großmutter auch gestorben. Sie hat sich wahrscheinlich so aufgeregt, dass sie, als sie auf die Toilette ging, tot zusammen gebrochen ist. Auch meine Tante Edith starb auch noch vor dem Krieg.

Meine Mutter war 1896 in Budapest geboren. Durch die häusliche Atmosphäre war sie sehr kunstbegeistert, literarisch gebildet und interessiert. Sie hat verhältnismäßig viele Bücher gelesen und auch durch ihre Schwester viel gewusst. Sie hat fast den ganzen Faust [Goethe] auswendig gekonnt, und manchmal hat sie meinem Vater und mir am Abend aus dem ‚Faust’ etwas vorgetragen. Auch meinen Vater hat sie dazu gebracht, mit ihr ins Theater zu gehen. Sie waren oft im Volkstheater oder in die Josephstadt [Theater in der Josephstadt].

Wie meine Eltern sich kennen gelernt haben, weiß ich nicht. Sie haben 1920 im Tempel, im 18. Bezirk, geheiratet. Der Rabbiner Güdemann, das war ein berühmter Rabbiner, hat sie getraut.

Ich bin am 18. November 1924 zur Welt gekommen. Wir haben damals im 8. Bezirk, in der Lederergasse Nummer 16, gewohnt. Ich bin zu Hause mit Hilfe einer Hebamme zur Welt gekommen, meine Schwester im Spital. Ich kann mich aus meiner frühesten Kindheit nur daran erinnern, dass wir im Rathauspark spielen waren und dort in die erste Klasse Volksschule am Albertplatz gekommen. Die zweite Klasse habe ich in der Jagdschlossgasse im 13. Bezirk gemacht, und dann sind wir in die Maxingstrasse übersiedelt, vis a vis vom Hietzinger Friedhof, und dort bin ich dann in die 3. und 4. Volkschule am Hietzinger Platz gegangen. Danach habe ich die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium Fichnergasse gemacht, das war ein humanistisches Gymnasium. Ich wollte aber keinen humanistischen, ich wollte einen technischen Beruf erlernen. Doch leider hatten wir kein Realgymnasium in der Nähe. Daher bin ich die ersten zwei Jahre in das humanistische Gymnasium Fichnergasse gegangen.
Wir waren in der Klasse 13 jüdische Kinder. Das war ein Drittel der Klasse. Unser Klassenvorstand war Dr. Riedl. Wir nannten ihn immer den ‘Vergaser’, da er immer ‘Oh, ich vergaß,’ gesagt hat. Zu der Zeit war die Vaterländische Front sehr stark, die ist mit der heutigen ÖVP [Christlichsoziale Partei] vergleichbar. Der Direktor der Schule ist jeden Tag vor dem Schultor gestanden und hat kontrolliert, ob wir das Abzeichen der Vaterländischen Front tragen. Das war ein Dreieck mit weißen Streifen und einem Blatt drauf. Dieses Abzeichen mussten alle Kinder der Schule tragen, es war unser Schulabzeichen, denn das war ein Christlich-Soziales Gymnasium. Der Sohn von Franz Völker ging mit mir in die Klasse. Franz Völker war ein sehr berühmter Kammersänger in den 1930er-Jahren. Dadurch wurde Franz Völker vom Musiklehrer immer bevorzugt. Ich bin sehr ungern in die Schule gegangen. Ich habe viel gelesen, hab Musik gehört. Die Schule war für mich immer ein Zwangs - und Druckmittel. Ich bin auch damals ungern in die Schule gegangen, da man sehr zeitig dort sein musste. Ich steh auch heute nicht gern früh auf.

Mein Vater, der aus einfachen Verhältnissen kam, war ein fescher, großer und kräftiger Mann mit einem Schnurrbart. Meistens hat er nicht viel geredet, meistens war er still. Meine Mutter, die klein und zart war, hat unseren Haushalt beherrscht. Meine Eltern und meine Großeltern haben immer ungarisch miteinander gesprochen, wenn ich etwas nicht verstehen sollte. Das Lustige an der Sache ist, auf diese Weise habe ich soviel Ungarisch gelernt, dass ich mich heute auf Ungarisch verständigen kann.

Meine ganze Liebe zur Kunst habe ich von meiner Mutter. Seit meiner jüngsten Kindheit war ich ein großer Opernfan. Ich bin ein sehr großer Wagnerfan [Komponist Richard Wagner], obwohl man ihm so einiges nachsagt. Meine Eltern haben mich in dieser Hinsicht immer sehr unterstützt. Zu Hause hatten wir ein Radio, da bin ich oft vor dem Radioapparat gestanden und habe Opern dirigiert. Seit ich zehn oder elf Jahre alt bin, habe ich mich in der Oper angestellt, um gute Stehkarten zu ergattern. Meine Eltern sind mir so weit entgegengekommen, dass, wenn ich länger Schule hatte, sich mein Vater auf den Stehplatz in der Oper gestellt und gewartet hat, bis ich kam, damit mir niemand den Platz wegschnappte. Ich hab den Jan Kiepura [Opern-und Operettensänger, Filmstar] gesehen, ich hab den Benjamino Gigli [Opern-und Operettensänger, Filmstar] gesehen. Da ich so früh ein Opernfan war, kann ich mit dem Operndirektor Holländer sehr gut reden.

Meine Schwester Renate ist im Juli 1931 geboren, also sieben Jahre nach mir. Zu dieser Zeit hat meine Mutter gemeint, dass es für die Kinder besser wäre, wenn sie einen Garten hätten, und wir sind in die Veitingergasse, im 13. Bezirk übersiedelt. Ich war nicht eifersüchtig auf meine Schwester. Ich habe mich gut mit ihr verstanden. Meine Schwester ist mehr ein pragmatischer Mensch, sie steht mit beiden Beinen im Leben. Das war schon so, als sie noch ein Kind war. Wir haben uns schon als Kinder auch gestritten, aber das war mehr ein Spaß.

Mit zehn Jahren bin ich zum Betar 3 gekommen, das war 1934. Ich bin jeden Samstagnachmittag um 15.00 Uhr zum Jugendgottesdienst in den Tempel in der Neuen Welt-Gasse gegangen. Der Tempel wurde im November 1938 zerstört. Jetzt stehen dort, wo der Tempel sich befunden hat, Wohnhäuser. Eine Gedenktafel hat man nicht gewollt, da wurde ein Gedenkstein in den Boden vor dem Haus eingelassen. Ich habe damals zur Einweihung des Gedenksteins gesprochen, weil ich Mitglied des Tempelchores war.

Vis a vis des Tempels war das Moadon vom Betar. Das waren die jüdischen Pfadfinder - so haben wir dazu gesagt. Die haben Werber für den Betar in den Tempel geschickt. Seither bin ich ein treuer Heruthnik 4. Das ist jetzt der Likud 5. Ich habe viele Freunde im Beitar gefunden. Wir haben Sport betrieben, haben gesungen, und wir haben Ausflüge gemacht. Jeden zweiten Sonntag sind wir zum Beispiel zum berühmten Sieveringer Steinbruch gefahren, und es war meine Spezialität, da hinunter zu springen. Ball spielen ist mir nicht gelegen, aber Laufen und Springen waren meine Leidenschaft. Ich bin auch zwei oder drei Jahre auf Sommerlager gefahren, das erste Mal war ich in Auen bei Velden, dann waren wir in Keutschach am Keutschachersee, beides in Kärnten. Da waren wir immer ungefähr zwei Wochen, haben in Hütten geschlafen und uns selbst die Strohsäcke stopfen müssen. Natürlich wurde im Betar auch immer für die Einwanderung nach Palästina geworben, aber die meisten haben nicht geglaubt, dass es einmal dazu kommen wird, dass wir aus unserer Heimat flüchten müssen. Wir waren sehr verankert in Wien und haben an Palästina überhaupt nicht gedacht. Durch den Beitar bin ich dem Judentum auch näher gekommen. Wir haben zum Beispiel Kurse über das Judentum gemacht. Religion hatte vorher keine große Rolle in meinem Leben gespielt. Wir waren die so genannten ‚Jom Kipur 6 Juden’. Wir haben Jom Kippur und Pessach 7 gehalten. Wir haben Mazzes 8 gegessen und immer einen Seder Abend 9 gehabt. Wir sind aber nicht koscher gewesen.

Man hat nicht fassen können, was sich seit 1933, seit der Machtübernahme Hitlers, in Deutschland getan hat, aber es war auch nicht so arg, wie es ab März 1938, nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich wurde. Mein Vater hat im 14. Bezirk Dauerbrandöfen erzeugt. Er hatte einige, aber nicht viele Angestellte. Das Geschäft ging dann zur Zeit der Rezession in Österreich nicht mehr sehr gut. Als Hitler 1938 nach Österreich kam, war es schon so weit gekommen, dass mein Vater gesagt hat: ‚Na, vielleicht wird es jetzt wirtschaftlich besser.’ Das traf dann aber nicht zu!

1938 sind wir nach Bratislava geflüchtet, weil mein Vater tschechoslowakischer Staatsbürger war. Er ist auf die tschechische Botschaft gegangen, und die Tschechen waren sehr anständig und haben ihm sofort einen Pass ausgestellt. Aber die Juden durften damals aus Österreich nicht einfach hinaus. Man hat später die Judensteuer [Reichsfluchtsteuer] 10 eingeführt, aber am Anfang gab es die noch nicht. Mein Vater hat in Wien versucht unser Geschäft zu liquidieren, und meine Mutter ist mit uns Kindern, mit meiner Schwester Renate und mit mir, nach Bratislava, gefahren. Es hat damals eine elektrische Bahn gegeben. An der Grenze hat man uns aufgehalten, weil wir viel Gepäck hatten. Wir haben gesagt, dass wir nur für ein paar Tage fahren, und die haben gesagt: ‚Nein!’ und haben uns nicht durchgelassen und wieder nach Wien zurückgeschickt. Erst beim zweiten Versuch haben wir es geschafft durchzukommen. Diesmal hatten wir sehr wenig Gepäck mitgenommen - jeder hatte nur einen kleinen Koffer.

Wir wussten in Bratislava nicht, wohin wir gehen sollten. Wir hatten kein Quartier und nichts zu essen. Wir hatten aber Verwandte in Bratislava, die ein Restaurant und Hotel hatten. Als wir zu ihnen kamen, haben sie uns Kindern je eine Limonade und eine Semmel gegeben, und als es Abend wurde, haben sie gesagt: ‚Habt ihr schon irgendwo etwas zu schlafen?’ Wir haben nichts gehabt, und sie haben uns trotzdem weggehen lassen. Wir sind zur tschechoslowakischen Kultusgemeinde gegangen, und die haben uns beim Schammes 11 vom Großen Tempel ein Zimmer gegeben. Der Schames, ein gewisser Stern, war eine Kapazität. Er ist im KZ Auschwitz ermordet worden.

So war der Anfang. Nach zwei oder drei Wochen ist mein Vater nachgekommen, und wir haben dann in der Gasse, in der die Kultusgemeinde war, eine Wohnung bekommen. Viele jüdische Familien in Bratislava haben damals je ein Kind in der Woche zum Mittag essen zu sich genommen. Dadurch habe ich viele jüdische Haushalte kennen gelernt und das erste Mal einen richtigen Schabbat bei einer frommen Familie erlebt. Da habe ich das Scholet [Anm.: Gericht zum Schabbat, auch Tscholent genannt] kennen gelernt. Eine Familie war sehr fein, das war die Familie Kövary. Das war eine ungarische Familie und die Söhne haben ihre Eltern noch mit ‚Sie’ angesprochen. Sie hatten eine sehr hübsche Schwester. Da gab es einen geselchten Rindskamm, und noch heute schwärme ich vom geselchten Rindskamm. Der Leiter der Hitlerjugend in Bratislava hieß Franz Karmasin. An einem Schabbat sind diese Karmasin-Jugendlichen auf die Kövary Brüder losgegangen. Die waren sehr gut angezogen und haben die Nazis derartig verdroschen, dass sie sich nicht mehr an diese Kövary Burschen herangetraut haben. Bei denen war ich einmal in der Woche.

Auch meine Eltern sind in Bratislava religiöser geworden und wir haben mehr jüdisch gegessen als in Wien. Da gab es eine Bäckerei, wo meine Eltern jeden Freitag Scholent zum Schabbat 12 abgeholt haben.

Der Betar in Bratislava war ziemlich religiös. Es waren einige sehr fromme Burschen dabei, durch die ich viel über das Judentum von der religiösen Seite gelernt habe. Ich bin durch meine Freunde vom Betar oft in den Tempel gegangen. Wir hatten einen Kantor, oder Hilfskantor, ein gewisser Fettmann, ein fescher Bursch war der, zu dem wir immer gesagt haben: Sing das und sing das…das waren alles liturgische Lieder.

Zuerst bin ich aufs deutsche Gymnasium gegangen, dann wurden die jüdischen Schüler aus den Schulen hinaus geworfen. Mein Freund Salamon, der in Israel Architekt ist, und ich, haben zusammen auf der jüdischen Gewerbeschule, die von der jüdischen Gemeinde gegründet worden war, Architektur und Baumeisterei studiert. Diese Schule besuchte man wie ein Gymnasium, also nach der Volksschule. Das hat nur ein oder zwei Jahre gedauert und anschließend, schon im slowakischen Staat, der 1939 entstanden und ein Verbündeter Deutschlands war, war ich im Architekturbüro der jüdischen Kultusgemeinde Bratislava beschäftigt. Es gab in der jüdischen Gemeinde in Bratislava eine sehr tüchtige Führung, die versucht hat, mit den slowakischen Ministerien in Verbindung zu kommen. Es wurde ein Architekturbüro gegründet, in dem ich zwischen 1943 und 1944 für die Regierung gearbeitet und ein kleines Gehalt bekommen habe. Dafür wurden wir nicht in die Vernichtungslager deportiert. Wir haben zum Beispiel ein berühmtes Hotel in der Tatra renoviert. Wir haben gearbeitet für die ‚Groskopferten’ die das ausgenützt haben. Die haben sich Möbel anfertigen lassen, und einige haben sich Häuser bauen lassen, und ich habe im Baubüro gesessen und die Zeichnungen gemacht.

Mein Vater hatte sich inzwischen heraufgearbeitet. Im Keller eines Hauses besaß er ein Haus - und Küchengerätegeschäft en gros. Als 1944 die Deutschen kamen und die Judenverfolgungen losgingen, durfte man sich selbst einen Ariseur suchen. Unser Ariseur, Herr Gara, war ein hochanständiger Mensch. Er stammte aus einer sehr angesehenen Familie, er war Versicherungsdirektor, sein Vater war Notar. Sie waren Ungarn und verhielten sich zu den Juden sehr anständig.

Die Verhältnisse haben sich dann drastisch verschlechtert. Aber zum Glück waren die Slowaken käuflich. Zum Beispiel wurde mein Vater einmal verhaftet, und mit 30.000 Kronen Strafe ist er freigekommen.

Dann mussten wir übersiedeln. Wir haben in der Nähe eine Wohnung bekommen. Dann mussten alle Juden ins Ghetto, in die Judengasse. Das Ghetto war in der Slowakei nicht abgesperrt, also war man frei, aber man musste dort in einem bestimmten Quartier wohnen. Von dort wurden ständig Juden abtransportiert in die Konzentrationslager. Wir haben zugeschaut - hinter dem Vorhang - wie man die Juden gefangen hat. Mein Vater war unbehelligt, weil er ein ‚wirtschaftlich wichtiger Jude’ war - so hieß das. Er hatte eine Legitimation, für die man bezahlen musste, und mein Vater war berechtigt, ein Geschäft zu führen, obwohl das Geschäft ja offiziell dem Ariseur gehörte.

Und dann eines schönes Tages, zu Jom Kippur 1944, sagte mein Vater: ‚Irgendetwas stimmt nicht, es liegt was in der Luft.’ Wir haben uns nach Jom Kippur, am 28. September 1944, in einem Bunker versteckt, den mein Vater innerhalb des Magazins unseres Geschäftes gebaut hatte. Das war ein Verschlag, der 1 Meter 60 groß war. In dem Verschlag standen sehr niedrige Betten, und die Tür zum Büro des Geschäftes war mit Stellagen verstellt. Wir sind den ganzen Tag gelegen - meine Eltern, meine Schwester und ich -  und haben zugehört, wie das Geschäft vom Herrn Gara und von einem ehemaligen Angestellten, einem großen blonden jüdischen Burschen, der mit arischen Papiere gelebt hat, geführt wurde. Er hieß Tibor Herz und hat ausgeschaut wie zehn Nicht-Juden. Ich habe ganz gut gezeichnet und habe für eine illegale Gruppe falsche Papiere hergestellt. Das Material dazu wurde uns in unser Versteck gebracht. Wir hatten Formulare, die wir ausgefüllt haben, Stempel haben wir mit Kartoffeln gemacht. Originale, nach denen wir uns gerichtet haben, haben wir gehabt. Der Tibor hat mit diesen christlichen Dokumenten den Holocaust überlebt und lebt heute in Australien. Er hat mich vor kurzem durch einen gemeinsamen Bekannten grüßen lassen, ich hatte 50 Jahre nichts von ihm gehört.

Die Kunden sind gekommen, und wir haben gehört, wie sie gesagt haben: ‚Ja, ja wir haben den Reisner gesehen, wie er auf der Straße gegangen ist und wie er abtransportiert wurde.’ Das war unser Glück! Die Leute haben uns nicht mehr gesucht. Wir waren offiziell abtransportiert ins Konzentrationslager.

Dann hat Herr Gara meine Schwester als Dienstmädchen genommen. Damals haben die Nicht-Juden wegen der Bombenangriffe am Land Wohnungen bekommen. Der Herr Gara hatte ein kleines Häuschen am Land, zirka 30 oder 40 Kilometer von Bratislava entfernt. Dorthin hatte er meine Schwester als Dienstmädchen genommen, so dass wir nur zu dritt waren. Sie hat im Haushalt geholfen und die fünf oder sechs Kinder betreut.

Wir haben alles gehört, was im Geschäft gesprochen wurde. Wir haben gehört, wie die Leute gesagt haben: ‚Na, es geht doch auch ohne die Juden. Der macht das ganz gut.’ Nach Geschäftsschluss sind wir herausgekommen, haben die Kommissionen zusammengesellt und haben die Ware für den nächsten Tag vorbereitet, die der jüdische Bursche mit den arischen Papieren in der Früh ausgeliefert hat. Danach hat er das Geschäft geführt und die Kunden bedient. In der Nacht haben wir auch gekocht. Wir haben von Herrn Gara alles bekommen: Wurst, Käse und Kartoffeln. Meine Mutter hat auf einem kleinen Elektrokocher Suppen gekocht. Wir hatten ein kleines Radio, da haben wir BBC gehört. So sind wir am Laufenden geblieben. Ich hatte eine große Karte von Europa und habe abgesteckt, wo die Deutschen sind, die Russen, die Engländer, die Amerikaner und die Franzosen sind.

Eines schönen Tages ist Herr Gara gekommen und hat gesagt: ‚Herr Reisner, es tut mir wahnsinnig leid. Ich kann die Renate nicht mehr behalten, weil man im Dorf schon munkelt, dass sie eine Jüdin ist.’ Da hat er sie hereingebracht. Da waren wir dann wieder zu viert. Ganz zum Schluss ist meine Tante Frieda, die Schwester meines Vaters, die mit arischen Papieren außerhalb des Bunkers gelebt hatte, auch in das Versteck gekommen, weil sie Angst hatte, dass man draufkommt, dass sie Jüdin ist. So waren wir in diesem kleinen Raum zum Schluss zu fünft. Tante Frieda ist nach dem Krieg nach Amerika gegangen, wo auch zwei ihrer Söhne lebten. Der dritte lebt in Israel.

Besonders arg ist es dann gewesen, als die Russen einmarschiert sind. In Bratislava hat man zwei oder drei Wochen gekämpft. Es war insbesondere gefährlich, weil eine Granate in unsere Tür eingeschlagen ist. Die Tür war mit Stahlplatten gesichert. Aber als die Granate eingeschlagen ist, war unsere Tür offen. Da haben wir Angst gehabt, dass Russen oder Deutsche reinkommen und uns erschießen. In den Kampfhandlungen wäre das nicht aufgefallen. Da hat mein Vater, sehr gescheit, ein Holzkreuz hingegeben mit der Aufschrift: ‚Achtung Blindgänger’. Keiner hat sich reingetraut. Er hat die Tür wieder mit schweren Kisten verstellt, und so haben wir überlebt. Das Geschäft ist weitergegangen. Der jüdische Bursche kam dann und hat gesagt: ‚Die Russen sind da. Herr Reisner verstecken sie die Uhren!’ Da hat mein Vater seine goldene Uhr runter genommen und hat gesagt: ‚Geben Sie die dem erstbesten Russen. Die haben uns wirklich befreit!’

In unserem Versteck waren wir vom 28. September 1944 bis zum 4. oder 5. Mai 1945. Also volle sieben Monate waren wir in diesem Bunker, 70 000 Juden wurden in der Zeit der deutschen Besatzung, also inner halb der sieben Monate aus der Slowakei deportiert.

Mit 18 Jahren hatte ich eine Freundin. Sie war 1928 geboren. Sie war vier Jahre jünger als ich. Sie hatte mich dann aber für einen Burschen verlassen, der ein oder zwei Jahre älter war als ich. Wir sind am 28. September 1944 in den Bunker hinunter, und ihr Freund ist zu den Partisanen gegangen. Meine Eltern hatten das Mädchen sehr gern. Sie war dann ganz allein, denn ihre Eltern wurden abtransportiert. Meine Eltern haben versucht, sie zu retten. Sie war zu uns in den Bunker gekommen, und wir haben beide so geweint, weil wir nicht wussten, wie es weitergeht. Sie hat sich dann einer Freundin, die ein Spitzel für die Gestapo war, anvertraut. Die hat sie dann verraten. Sie war schwanger, und im KZ Auschwitz wurde ihr das Kind wegoperiert. Sie hat aber überlebt und hat mich nach dem Krieg gesucht. Sie hat zufällig in Salzburg jemanden getroffen, der mich gekannt hat und der hat gesagt: ‚Ja, die Reisners sind noch in Bratislava.’ Und so sind wir wieder zusammengekommen. Sie hatte als Einzige ihrer Familie überlebt, auch ihre hübsche ältere Schwester, ist in Auschwitz umgekommen. Später hat sie dann einen anderen geheiratet.

Die Familie Gara, die uns gerettet hat, hat uns sofort, als der Krieg zu Ende war, alles, was wir bei Ihnen sichergestellt hatten, zurückgegeben. Mein Vater hat den Herrn Gara dann zu 50% in das Geschäft genommen, und wir haben sie immer unterstützt. Jede Weihnachten haben meine Schwester und ich Ihnen 100 Dollar geschickt. Wir haben sie unterstützt, bis sie ins Spital gekommen und gestorben sind.

Meine Schwester Renate hat gleich nach dem Krieg in Bratislava einen Ungarn geheiratet und ist mit ihm nach Israel gegangen. Dort hat sie eine Tochter bekommen. Alica hat inzwischen geheiratet und hat drei Kinder. Meine Schwester Renate ist inzwischen geschieden, hat ein zweites Mal geheiratet und hat einen Sohn. Der ist auch schon 30 Jahre alt.

Für mich war Wien immer noch besser als die Slowakei, wo ich gesehen hatte, was mit den Juden passiert ist und wie die Slowaken sich benommen haben. Sie waren zwar käuflich, man hat dort bestechen können, was man in Deutschland weniger konnte, aber ich habe gesehen, was das für Banditen waren. Ich hab mich einfach an die Brücke gestellt und bin mit einem russischen Lastwagen nach Wien gefahren. Ich hatte noch eine christliche Tante in Wien. Der Bruder meines Vaters, der Samuel, hatte eine christliche Frau geheiratet. Sie lebte noch in Wien, in der Leopoldsgasse 5, und ich bin gleich zu ihr gegangen. Onkel Samuel und seine Frau hatten einen Sohn, der vor dem Krieg gestorben war. Sie war allein, und ich habe ein paar Jahre bei ihr gewohnt. Zuerst habe ich anstatt der Matura einen Überbrückungskurs gemacht und dann an der Technischen Hochschule studiert.

Der erste Präsident der Jüdischen Hochschülerschaft nach dem Krieg in Wien war Gutmann, ein älterer Student, der war sicher schon 30 Jahre alt damals. Seinen Vornamen weiß ich nicht mehr und ich glaube, er hat Wien nach ungefähr zwei Jahren verlassen und ist nach Israel oder in die USA ausgewandert. Viele Juden wollten in Wien nicht bleiben. Dann kam Fratisek Spitzer. Er war mit der Erika Wien, einer jungen Sängerin von der Volksoper, die in Wien debütierte liiert. Frantisek Spitzer war Journalist. Auch sie sind nach einiger Zeit aus Wien weggegangen. Ich wurde der Kulturreferent. Im Hotel Stefanie auf der Taborstrasse gibt es einen großen Saal, in dem die jüdischen Hochschüler Vorträge hörten, und ich habe mit der Jüdischen Hochschülerschaft in den 1950er-Jahren die ersten jüdischen Bälle in Wien organisiert, die im Messepalast stattgefunden haben. Da hatten wir immer eine Jazzkapelle engagiert. Ich hatte den Namen für unsere Bälle aus einem deutschen Film mit dem Schauspieler Fritz Kampers. Noch heute heißen die Bälle der jüdischen Hochschüler Ball-Paré - das ist so geblieben. Der Name stammt von mir!

Aber man konnte nicht immer tanzen! Meine Idee war es dann, ein Mitternachtskabarett zu veranstalten. Ich habe Künstler angesprochen und sie gebeten für uns aufzutreten. Der erste war der Karl Farkas 13. Der Karl Farkas hat mit dem Publikum gelebt. Er ist auch vor der Tür des ‚Kabaretts Simpl’ gestanden und hat das Publikum begrüßt. Den habe ich angerufen und gefragt, ob er für die jüdische Hochschülerschaft spielen würde. Er hat zugesagt und ist immer gekommen. Dann habe ich Künstler gefragt, die gerade in Wien waren. Wir konnten nur sehr wenig bezahlen und der Farkas war immer einverstanden, aber der Armin Berg 14 hat mir einmal gesagt: Gehen Sie zum Braun am Graben und verlangen Sie ein Hemd für die jüdischen Hochschüler. Die werden Ihnen das auch nicht umsonst geben. Mein Beruf ist mein Geschäft.’ Er trat auf, aber wir mussten ihn richtig bezahlen. Dann gab es während der 1930er-Jahre eine berühmte Schauspielerin namens Camilla Horn, eine in den 1950er-Jahren schon etwas ältere Blondine. Sie hat für uns Chansons gesungen. Auch der berühmte Burgschauspieler Raoul Aslan ist für uns aufgetreten, sogar ohne Bezahlung. Für die jüdische Hochschülerschaft ist mir vieles gelungen. Damals haben sich viele bemüht, den Juden etwas Gutes zu tun.

Mit dem Studium bin ich nicht weit gekommen. Ich habe bis zum 3. Semester studiert, und dann habe ich mich nicht mehr so gut für das Studium geeignet.

Ich hatte schon immer ein Faible für Künstler und einen guten Draht zu Künstlern. Von 1972 bis 1976 war Rudolf Gamsjäger Staatsoperndirektor. Bei ihm hatte ich mich um eine Stelle als Regieassistent beworben. Ich wäre auch dazu bereit gewesen zuerst die Würschteln und den Kaffee für die Theaterleute zu holen. Aber ich bekam einen Brief in dem stand, ich sei schon zu alt, um ganz unten zu beginnen. Ich hätte mich sicher hinaufgearbeitet. Der Leiter des Keren Kajemet, Dr. Ungar, war künstlerisch sehr interessiert und hat verschiedene Matineen veranstaltet, und da habe ich auch oft aktiv mitgewirkt. Ich war immer sehr interessiert am Theater.

Meine Eltern blieben noch ein paar Jahre in Bratislava. Die Villa in Bratislava haben sie dann einem Kommunisten überlassen, der ihnen dafür, dass sie ihm die Villa übergeben haben, eine Bewilligung gab, dass sie die Möbel und alles, was zu unserem Haushalt gehörte - Bilder und Schallplatten usw. - in einem Container nach Wien mitnehmen konnten.

Zuerst haben wir alle in Wien am Brahmsplatz in der Tillgerstraße - das ist die kleine Straße die zum Brahmsplatz führt – gewohnt. Das ist im 4. Bezirk. Mein Vater hatte ein Schuhzubehörgeschäft, aber das ist nicht so gut gegangen. Als meine Schwester schwanger wurde, und die Geburt immer näher kam, sagte meine Mutter: ‚Weißt du was? Ich helfe ihr ein bisschen.’ Sie ist nach Israel gefahren, das war Anfang der 1950er-Jahre. Meine Schwester hatte in Holon, in der Wüste, ein kleines Häuschen. Damals war noch Sand rund um Tel- Aviv. Ein paar Monate später hat mein Vater in Wien alles verkauft und ist auch nach Israel übersiedelt. Meine Schwester und meine Eltern sind dann nach Tel-Aviv gezogen, wo meine Schwester heute noch lebt.

Ich bin dann in eine Gewerbeschule gegangen, wo es mehr Praxis gab, und dann später von der Gewerbeschule zu dem Architekten Kronfuss hinter dem Rathaus. Dort habe ich in der Praxis gearbeitet und die erste Staatsprüfung gemacht. Es gibt zwei Baumeisterprüfungen, und ich habe die erste gemacht. Dann wollte ein guter Freund ein Geschäft auf der Kärntnerstraße mit Büromaschinen eröffnen. Das war die Firma Braun. Ich weiß nicht, ob sie noch existiert. Eine Zeit lang war ich angestellt bei der Firma Braun und habe Büromaschinen verkauft - damals waren Büromaschinen ein sehr guter Artikel. Dann ist Frau Friedrich, die Direktorin von EL AL, an mich herangetreten. Sie brauchte Leute, sie wollte ein EL AL Büro eröffnen, hatte auch schon ein Büro, aber sie brauchte eine Vertretung von der EL AL beim Reisebüro Kosmos. Das war im Jahre 1952, ich hab dann dort die Israelabteilung übernommen und mich raufgearbeitet. Ich war im Reisebüro Kosmos bis 1989, dazwischen hatte ich allerdings einige Zeit mit einem anderen Freund eine Vertretung von Fruchtsaftmaschinen aus Israel.  Das Reisebüro war am Ring vis a vis vom Hotel Imperial. Ich war mit meiner Arbeit sehr zufrieden, habe fast 30 Jahre dort gearbeitet. Deshalb bekomme ich noch heute verschiedene Ermäßigungen.

Im Mai 1964 habe ich in Wien geheiratet. Meine Frau Edith, geborene Broz, ist Nicht-Jüdin. Sie hat ein Kind in die Ehe mitgebracht, das damals fünf Jahre alt war. Wir haben keine gemeinsamen Kinder. Das Mädchen, das meine Frau in die Ehe mitgebracht hat, hat geheiratet und hat inzwischen auch zwei Mädchen. Bei uns haben alle Mäderln. Die Claudia ist die Ältere, die ist jetzt 31 Jahre alt, und die Tamara ist 29 Jahre alt. Claudia ist verheiratet und hat auch zwei Töchter. Die kleine ist sechs Jahre alt, die größere neun Jahre. Das bedeutet, dass ich und meine Frau schon Urgroßeltern sind.

1989 bin ich in Pension gegangen, und seither ist es mein Hobby und gleichzeitig mein Beruf, dass ich die Zeitung Heruth herausgebe. 

Glossar

1 Koscher [hebr

: rein, tauglich]: den jüdischen Speisegesetzen entsprechend.

2 Talmud

wörtl: Lehre; wichtigstes nachbiblisches Buch des Judentums, Gesetzeskodex.

3 Betar

revisionistische zionistische Jugendbewegung. Betar ist eine Abkürzung und steht für ‚Brit Josef Trumpeldor‘. Die Bewegung wurde im Jahr 1923 in Riga [Lettland] gegründet.

4 Heruth [deutsch

Freiheit]: Parteiorganisation des revisionistischen Zionismus in Israel, die 1948 gegründet wurde.  

5 Likud [Partei in Israel]

Der Ursprung Likuds liegt in der 1948 gegründeten Partei Cherut [dt.: Freiheit], deren Parteiprogramm stark nationalistisch geprägt war. Das Programm des Likud-Blocks sieht es als seine Pflicht an, die Einheit des jüdischen Volkes zu pflegen und zu bewahren, sowie die jüdische und zionistische Erziehung zu vertiefen und die Assimilation von jüdischen Jugendlichen in der Welt zu verhindern. Das Recht des jüdischen Volkes auf das Land Israel sei ein ewiges Recht, das nicht angefochten werden könne. Die Existenz Israels als selbstständiger jüdischer Staat im Nahen Osten steht an allererster Stelle der Sicherheit.

6 Jom Kippur

der jüdische Versöhnungstag, der wichtigste Festtag im Judentum.
Im Mittelpunkt stehen Reue und Versöhnung. Essen, Trinken, Baden, Körperpflege, das Tragen von Leder und sexuelle Beziehungen sind an diesem Tag verboten.

7 Pessach

Feiertag am 1. Frühlingsvollmond, zur Erinnerung an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei, auch als Fest der ungesäuerten Brote [Mazza] bezeichnet.

8 Mazzot [Einz

Mazza]: Ungesäuertes Brot, für das  nur eine der fünf Getreidearten Weizen, Gerste, Dinkel, Hafer oder Roggen verwendet werden darf. Die Mazzot wird als das ‚Brot der Armut’ bezeichnet, ‚das unsere Väter in Ägypten gegessen haben’. Es gilt aber auch als das Brot der Erlösung, die so schnell kam, ‚dass der Teig unserer Vorfahren keine Zeit hatte zu säuern’, bevor er gebacken wurde. Mazza essen gilt nur am ersten Abend des Pessachfestes, dem Sederabend, als Pflicht. An den restlichen Tagen des Festes darf man zwar weiterhin nichts Gesäuertes [Chamez] zu sich nehmen, muss aber keine Mazza essen.

9 Seder [hebr

: Ordnung]: wird als Kurzbezeichnung für den Sederabend verwendet. Der Sederabend ist der Auftakt des Pessach-Festes. An ihm wird im Kreis der Familie (oder der Gemeinde) des Auszugs aus Ägypten gedacht.

10 Reichsfluchtsteuer

eine 1931 von der Weimarer Republik erlassene Steuer mit
dem Zweck, die Kapitalflucht einzudämmen. Ab 1933 wurde die Reichsfluchtsteuer zur 'Menschenfluchtsteuer', die sich in erster Linie gegen Juden richtete und ein Teil der Ausplünderungs- und Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten war.

11 Schammes [hebr

Schamasch = Diener]: Synagogendiener. Er erfüllt die unterste Funktion in einer Synagoge. Daher wird der Begriff allgemein abwertend als ‚Laufbursche‘ gebraucht. Als Schammes wird auch für die Kerze bezeichnet, die zum Anzünden der übrigen Kerzen der Chanukkia [Chanukkaleuchter] verwendet wird.

12 Schabbat [hebr

: Ruhepause]: der siebente Wochentag, der von Gott geheiligt ist, erinnert an das Ruhen Gottes am siebenten Tag der Schöpfungswoche. Am Schabbat ist jegliche Arbeit verboten. Er soll dem Gottesfürchtigen dazu dienen, Zeit mit Gott zu verbringen. Der Schabbat beginnt am Freitagabend und endet am Samstagabend.

13 Farkas, Karl [1893-1971]

österreichischer Schauspieler und Kabarettist. 1938 flüchtete Farkas vorerst nach Brünn, und dann über Paris nach New York, wo er vor anderen Exilanten auftrat. 1946 kehrte er nach Wien zurück und trat ab 1950 auch wieder im bekannten Kabaret ‚Simpl‘ auf, das er bis zu seinem Tod leitete.

14 Berg, Armin [1883 - 1956], Kabarettist und Schauspieler

Armin Berg wurde in Brünn geboren, spielte er mit 15 Jahren bereits verschieden Rollen an Theatern in Mähren. In Wien war Armin Berg am ‚Theater der Komiker’ und im ‚Ronacher’ engagiert. 1938 flüchtete er in die USA. Nach seiner Rückkehr nach Wien 1949 trat Armin Berg unter anderem im Kabarett ‚Simpl’ auf.