Jindrich Lion bei der Arbeit als Journalist

Ich habe bei der Wochenzeitschrift eines großen Verlags gearbeitet. Vor dem Krieg war das die deutsche Zeitung - Prager Tagblatt. Und als die Nazis gekommen sind, haben sie die Redaktion besetzt, weil dort viele jüdische Journalisten waren, die mussten natürlich alle sofort raus. Dann haben sie eine Nazizeitung draus gemacht.
Als die Kommunisten 1948 die Zeitschrift übernommen haben, hab ich auf meinem Tisch ein Formular vorge-funden. Es war ein Formular für die Anmeldung für die kommunistische Partei. Ich hab es genommen, zusammengeknäuelt und weggeworfen. Vis-à-vis mir ist einer gesessen, der war Kommunist, ein junger Mann in meinem Alter, er hat gesagt: Du verdirbst Dir deine eigene Zukunft, wenn Du das machen wirst". Und ich hab gesagt: "So eine Zukunft will ich nicht. Ich bin kein Kommunist, ich werde nicht in die kommunistische Partei eintreten?. Daraufhin hatte ich nächsten Tag wieder früh das Formular auf dem Tisch. Ich hab es wieder genommen und wieder in den Papierkorb geworfen. Und der hat das in der Direktion des Verlages gemeldet.
Ich bin am Vormittag weggegangen, und als ich in die Redaktion zurückgekommen bin, hatte ich meine Kündigung am Tisch.
Tausende sind damals, weil sie die Anmeldung für die KPC nicht unterschreiben wollten, aus der Arbeit herausgeflogen. Der Ministerpräsident hat gesehen, dass es sich wirtschaftliches negativ auswirken wird.
Deshalb hat er eine Erklärung herausgegeben, dass die Nichtmitgliedschaft in der kommunistischen Partei kein Grund zur Kündigung ist.
Ich bin mit der Kündigung, die ich am Tisch hatte, auf die Rechtsabteilung der Gewerkschaft gegangen und hab gesagt, schauen Sie , der Ministerpräsident hat gesagt, dass man nicht Mitglied der Kommunistischen Partei sein muß. Das waren noch Nichtkommunisten, die dort gesessen sind. Die Rechtsabteilung der Universität war in den Händen der Rechten. Die haben gesagt, gehen Sie zurück und Sie werden auf dem Schreibtisch Ihren neuen Vertrag vorfinden.
Ich bin zurückgegangen und wirklich, ich hatte einen neuen Vertrag auf dem Schreibtisch. Die haben das telefonisch erledigt.
Dann war ich noch zwei Jahre dort, und ich hatte ein kleines Bild von Masaryk, er war der Mitbegründer des selbstständigen tschechoslowakischen Staates, auf dem Schreibtisch stehen.
Ich hatte einen Artikel geschrieben, in dem ich positiv über Masaryk berichtete. Eine Leserin hatte mir ein ganz kleines Bild von Masaryk in einem Bilderrahmen geschickt und mir geschrieben, dass es sie freut, dass noch jemand tapfer genug ist, um positiv über Masaryk zu schreiben.
Im Jahr 1950 haben die Kommunisten eine Kampagne gegen Masaryk gestartet. Er war sehr beliebt und er war eigentlich ein Symbol der Demokratie. Der junge Bursche, der da neben mir saß, hat gesagt, ich solle sofort das Bild entfernen. Und ich hab gesagt, das fällt mir nicht ein. Für mich ist Masaryk immer das Muster eines Demokraten gewesen.
Am nächsten Tag in den Dienst gekommen und das Bild war weg. Ich hab so einen Wutanfall bekommen und hab angefangen, auf den Tisch zu schlagen, und hab gesagt: Sofort kommt das Bild wieder zurück! Das Bild ist nicht zurückgekommen und ich auch nicht mehr. Damals waren die Kommunisten schon so etabliert, dass ich das zweite Mal gekündigt wurde, und da konnte ich nicht mehr zurück. Das war im Jahr 1950.